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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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zunehmendem Alkoholkonsum wurde Jarrett immer lauter, doch da bildete er an dem Tisch keine Ausnahme.
    Nach zwei Stunden waren die Meeresfrüchte verzehrt, der Alkohol floss weiter. Mittlerweile stellte der Kellner den Rumpunsch in großen Krügen auf den Tisch. Clay entschloss sich zu einem schnellen Abgang. Er stand auf und stahl sich aus dem Lokal, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.
    Aus dem ruhigen Abendessen mit seinem Vater war nichts geworden.
    Als Clay aufwachte, war es noch dunkel. Sein Vater lief mit stampfenden Schritten auf dem Boot herum, pfiff und sang Bruchstücke eines Liedes, das vage an einen Hit von Bob Marley erinnerte. »Aufstehen!«, brüllte er. Das Boot wackelte, was aber weniger an den Wellen lag als an der stürmischen Art, mit der Clays Vater den neuen Tag begrüßte. Einen Augenblick lang blieb Clay noch auf dem zu kurzen schmalen Sofa liegen, um einen klaren Kopf zu bekommen.
    Er erinnerte sich daran, wie sein Vater früher gewesen war. Stets war er morgens bereits vor sechs Uhr im Büro gewesen. Oft auch schon um fünf, manchmal gar um vier. Sechs Tage die Woche, häufig sieben. Weil er beruflich zu sehr in Anspruch genommen war, fanden Clays Baseball- und Footballspiele meistens ohne ihn statt. Nie kam er vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause, oft kam er gar nicht. Als Clay älter war und bereits in der Kanzlei mitarbeitete, stand Jarrett in dem Ruf, junge Mitarbeiter unter einem Berg von Arbeit zu begraben. Dann begann es in seiner Ehe immer stärker zu kriseln, und er schlief in seinem Büro, manchmal sogar allein. Trotz seines unsoliden Lebenswandels ging er immer als Erster ans Telefon. Obwohl er zeitweise exzessiv trank, konnte er rechtzeitig aufhören, wenn der Alkohol seine Arbeit zu beeinträchtigen drohte.
    Schon zu diesen legendären Zeiten war er praktisch ohne Schlaf ausgekommen, und daran hatte sich offensichtlich nichts geändert. Jetzt tauchte er laut singend neben dem Sofa auf. Er hatte geduscht und roch nach einem billigen Rasierwasser. »Steh endlich auf!«, brüllte er.
    Von Frühstück war keine Rede. In dem engen Winkel, der hier als Dusche durchging, wusch Clay sich rasch. Er litt nicht an Platzangst, doch die Vorstellung, auf so beengtem Raum leben zu müssen, machte ihn ganz schwindelig. Draußen hingen dicke Wolken am Himmel, und es war bereits warm.
    Jarrett stand auf der Brücke, lauschte den Wetternachrichten aus dem Funkgerät und starrte stirnrunzelnd in den Himmel.
    »Schlechte Neuigkeiten«, sagte er.
    »Was ist denn?«
    »Schwerer Sturm im Anzug. Angeblich soll's den ganzen Tag stark regnen.«
    »Wie spät ist es?«
    »Halb sieben.«
    »Wann bist du zurückgekommen?«
    »Du klingst wie deine Mutter. Da drüben steht Kaffee.«
    Nachdem Clay sich eine Tasse eingeschenkt hatte, setzte er sich neben das Steuer.
    Große, dunkle Sonnenbrille, Bart, der Kappenschirm - Clay sah nur wenig vom Gesicht seines Vaters, vermutete aber, dass seine Augen auf einen üblen Kater schließen lassen würden. Niemand würde es je erfahren. Die größeren Schiffe auf dem Meer gaben über Funk Wettermeldungen und Sturmwarnungen durch. Jarrett und die anderen Kapitäne von Charterbooten brüllten sich die neuesten meteorologischen Nachrichten zu und übten sich in Vorhersagen, während sie kopfschüttelnd zum Himmel blickten. Eine halbe Stunde verstrich. Niemand verließ den Hafen.
    »Verdammter Mist«, sagte Jarrett schließlich. »Ein vertaner Tag.«
    Die vier jungen Schnösel von der Wall Street trafen ein. Sie waren mit weißen Tennisshorts, brandneuen Turnschuhen und dekorativen Anglerhütchen ausstaffiert. Jarrett empfing sie am Heck. »Tut mir Leid, Leute, heute wird's nichts mit unserer Angelpartie«, sagte er, bevor die Touristen einen Fuß an Bord setzen konnten. »Wir haben Sturmwarnung.«
    Sofort schossen vier Augenpaare zum Himmel hoch. Ein schneller Blick auf die Wolken ließ die vier zu dem Schluss gelangen, dass die Meteorologen sich geirrt haben mussten. »Sie machen wohl Witze«, bemerkte einer.
    »Das bisschen Regen«, sagte ein anderer.
    »Lassen Sie's uns riskieren«, schlug der Nächste vor.
    »Ich habe Nein gesagt«, sagte Jarrett. »Die Angelpartie fällt aus.«
    »Aber wir haben dafür bezahlt.«
    »Sie bekommen Ihr Geld zurück.«
    Jetzt wurden die Wolken von Minute zu Minute dunkler. Aus der Ferne hörten sie die ersten Donnerschläge, laut wie Kanonenschüsse. »Sorry, Leute«, sagte Jarrett.
    »Und wie sieht's morgen aus?«, fragte

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