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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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mit mehreren Nebenwirkungen in Verbindung gebracht, darunter Blasentumoren.« Am unteren Bildrand erschienen in fetter Schrift die Worte: DYLOFT-HOTLINE - WÄHLEN SIE 1.800.555 DYLO. Der »Arzt« fuhr fort: »Wählen Sie die eingeblendete Nummer unbedingt sofort. Die Dyloft-Hotline kann eine kostenlose medizinische Untersuchung für Sie arrangieren. Rufen Sie jetzt an!«
    Fünfzehn Sekunden lang hatten alle die Luft angehalten. Als der Spot zu Ende war, sprach niemand ein Wort. Für Clay war es ein besonders quälender Moment, denn in dieser Sekunde hatte er eine skrupellose und zerstörerische Kampagne gegen einen gewaltigen Konzern losgetreten. Eine Kampagne, die zweifellos einen Rachefeldzug nach sich ziehen würde. Was, wenn sich Max Pace mit dem Medikament irrte? Wenn er Clay als Schachfigur in einem gigantischen Spiel der Pharmakonzerne benutzte? Wenn Clay durch Sachverständige nicht beweisen konnte, dass das Medikament die Tumore verursacht hatte? Wochenlang hatte er sich mit diesen Fragen herumgequält und ein ums andere Mal versucht, Pace Antworten zu entlocken. Zweimal hatten sie sich gestritten, mehrfach scharfe Worte gewechselt. Am Ende hatte Pace die gestohlene oder zumindest unrechtmäßig erworbene Studie über die Wirkung von Dyloft herausgerückt. Clay hatte sie von einem Arzt in Baltimore durchsehen lassen, mit dem er zu Universitätszeiten in einer Studentenverbindung gewesen war. Die Studie wirkte ebenso solide wie Unheil verkündend.
    Schließlich war Clay zu der Überzeugung gelangt, dass er Recht hatte und Ackerman Labs im Unrecht war. Doch als er den Spot sah und merkte, wie er bei den Anschuldigungen selbst zusammenzuckte, bekam er wieder weiche Knie.
    »Ziemlich starker Tobak«, meinte Rodney. Er hatte das Video Dutzende Male gesehen, doch im regulären Fernsehprogramm gesendet, wirkte es wesentlich brutaler. East Media hatte versichert, dass jeder gesendete Spot sechzehn Prozent Marktanteil erreichen würde. Er würde zehn Tage lang täglich überall in den Staaten in insgesamt neunzig Absatzmärkten ausgestrahlt werden. Geschätzte Zuschauerzahl: achtzig Millionen.
    »Es wird funktionieren«, prophezeite Clay optimistisch, ganz die Führungspersönlichkeit.
    In der ersten Stunde lief der Spot in dreißig Märkten an der Ostküste, anschließend in achtzehn der mittleren Zeitzone. Vier Stunden nach der Erstausstrahlung erreichte er die Pazifikküste mit weiteren zweiundvierzig Märkten. Die flächendeckende Werbung hatte Clays kleine Vier-Mann-Kanzlei am ersten Abend über vierhunderttausend Dollar gekostet.
    Die gebührenfreie Telefonnummer leitete die Anrufer in die »Fabrik«, wie man im Hauptbüro die neue Filiale der Kanzlei J. Clay Carter II. in Washingtons Vorort Manassas spöttisch nannte. Dort saßen sechs kürzlich engagierte Anwaltsassistenten und nahmen Anrufe entgegen, stellten vorformulierte Fragen, füllten Fragebögen aus, verwiesen die Anrufer auf die Dyloft-Hotline-Website und versprachen ihnen, dass sich ein Anwalt bei ihnen melden werde. Zwei Stunden nach den ersten Ausstrahlungen waren alle Leitungen belegt. Ein Computer zählte die Anrufer, die nicht durchkamen. Eine Computerstimme verwies sie auf die Website.
    Um neun Uhr am nächsten Morgen erreichte Clay der Anruf eines Anwalts aus einer großen Kanzlei weiter unten in derselben Straße. Er vertrat Ackerman Labs und verlangte, dass die Ausstrahlung der Spots unverzüglich eingestellt werde. Er benahm sich aufgeblasen und herablassend und drohte mit allen erdenklichen juristischen Gemeinheiten, falls Clay nicht unverzüglich klein beigab. Der Ton verschärfte sich, dann beruhigten sich beide wieder etwas.
    »Sind Sie in den nächsten Minuten in Ihrem Büro?«, erkundigte sich Clay.
    »Ja, sicher. Warum?«
    »Ich möchte Ihnen durch einen Boten was rüberschicken. Wird etwa fünf Minuten dauern.«
    Rodney, der Bote, eilte mit einer Kopie der zwanzigseitigen Klageschrift die Straße hinunter. Clay fuhr zum Gericht, um das Original einzureichen. Pace' Anweisungen gemäß wurden Kopien auch an die Washington Post, das Wall Street Journal und die New York Times gefaxt.
    Im Übrigen hatte Pace angedeutet, dass es eine gute Investition wäre, jetzt Ackerman-Aktien-Leerverkäufe zu tätigen. Der Kurs hatte am Freitag bei Börsenschluss 42,50 Dollar betragen. Bei Eröffnung am Montagmorgen erteilte Clay eine Verkaufsorder über einhunderttausend Anteile. In ein paar Tagen würde er sie für um die dreißig Dollar pro Stück

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