Die Schuldlosen (German Edition)
wo man neue Möbel kaufen konnte. Da hatte Saskia sich schöne Sachen für später aussuchen dürfen. Wenn sie bei ihrem Papa einzog, sollte sie nämlich ein großes Zimmer haben, in dem alles so war, wie es ihr gefiel.
«Ich bekomme ein Bett mit einer rosa Gardine drum herum wie eine Prinzessin», erzählte sie Gerhild und versicherte treuherzig: «Und ich darf euch besuchen, sooft ich will, hat mein Papa versprochen.»
«Das ist aber nett von ihm», erwiderte Gerhild und hatte Mühe, die Fassung zu bewahren.
Saskia nickte eifrig. «Er ist viel netter als der Papa von Tanja Breuer. Er will Heike auch nicht anzeigen.»
«Warum sollte er Heike denn anzeigen?», fragte Gerhild verwundert.
«Weil sie mich aus dem Brutkasten geklaut hat», antwortete Saskia. «Das hat sie dir bestimmt nicht erzählt, oder? Sie durfte mich nicht einfach mitnehmen, um dir eine Freude zu machen. Das war ein schlimmes Verbrechen. Ich gehörte meinem Papa, das wusste sie genau. Mein Papa hat viel geweint, ist aber nicht ins Fernsehen gekommen, nur in die Zeitung.»
«Ja, allerdings», murmelte Gerhild und bemühte sich darum, ihre Schwägerin ins Bild zu setzen, hatte damit jedoch erst kurz nach eins Erfolg.
Heike war am Vorabend wie geplant nach Holland gefahren, hatte morgens um neun in einer Klinik in Goes die Voruntersuchungen und den kleinen Eingriff über sich ergehen lassen. Es war allerdings nicht so problemlos verlaufen wie erhofft. Sie hatte eine Menge Blut verloren. Man hätte sie gerne übers Wochenende zur Beobachtung in der Klinik behalten. Doch das konnte sie sich finanziell nicht leisten.
Erst beim Verlassen der Klinik hatte sie ihr Handy wieder eingeschaltet. Nun saß sie im Taxi, hatte sich in einer Apotheke Vitamin K und ein Eisenpräparat besorgt und war auf dem Weg ins Hotel, wo sie nur noch ins Bett und schlafen wollte.
«Alex will wirklich nichts von dir», fiel Gerhild ohne einleitende Erklärung über sie her. «Wahrhaftig nicht. Er will dich nicht mal wegen Kindesraub anzeigen. Der Mistkerl hat sich an Saskia rangemacht und in den paar Tagen ganze Arbeit geleistet. Sie will bei ihm einziehen, hat sich schon ein rosa Himmelbett ausgesucht. Soll ich das Kind aufklären, oder willst du das übernehmen? Dann brichst du deine Erholung jetzt besser ab und kommst sofort zurück.»
«Tut mir leid», sagte Heike. «Heute schaffe ich das nicht. Mir geht’s nicht so besonders. Ich hab gestern Abend etwas Falsches gegessen und die Nacht im Badezimmer verbracht. Ich bin immer noch ganz wacklig auf den Beinen. Ich komme morgen zurück, dann geht es mir bestimmt besser.»
«Aber du bist doch jetzt auch unterwegs», meinte Gerhild, der die Fahrgeräusche im Hintergrund nicht entgingen.
«Ja, mit dem Taxi», erklärte Heike wahrheitsgemäß. «Ich hab mich zu einer Apotheke bringen lassen und bin jetzt wieder auf dem Rückweg zum Hotel.»
Daraufhin berichtete Gerhild der Reihe nach, was sie von Saskia gehört hatte. Heike bat noch, Saskia nicht mehr alleine vor die Tür zu lassen. Dann hielt das Taxi vor dem Hotel.
Heike beendete das Gespräch, bezahlte den Fahrer, begab sich auf ihr Zimmer und rief Lothar an. Dass der Alex sein Auto geliehen haben sollte, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Damit lag sie ja auch vollkommen richtig.
Lothar regte sich fürchterlich auf und sparte nicht mit Schimpfworten. «Der elende Hund! Silvies Autoschlüssel ist weg. Wir haben gestern alles danach abgesucht. Den muss der Scheißkerl aus ihrer Handtasche geklaut haben, als er am Samstag hier war. Und dann ließ er den Wagen auch noch unverschlossen auf dem Parkplatz stehen. Am Dienstag, da dachte ich, ich hätte morgens in der Eile aufs falsche Knöpfchen gedrückt. Den zeige ich an. Was bildet diese Zecke sich ein? Glaubt wohl, er kann sich alles herausnehmen, nur weil die Idioten ihn rausgelassen haben.»
Lothar wollte Anzeige erstatten, sobald er in Grevingen war. Noch hielt er sich an seinem Arbeitsplatz auf, und eigentlich hatte er bis vier arbeiten wollen, konnte aber auch schon um halb drei Feierabend machen. «Ich sag Silvie gleich Bescheid. Wenn sie mich abholt, machen wir das auf einem Weg.»
An dem Freitag verfügte Silvie wieder über die Familienkutsche, damit ihre Großmutter nicht auf den Bus angewiesen war und nicht auf die Idee kam, ihr altes Rad zu nehmen, um zu Opa ins Krankenhaus zu kommen.
Im Gegensatz zu Lothar handelte Gerhild sofort. Sie wollte nicht bis zum nächsten Tag warten und es
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