Die Schule der Nacht
Unterricht noch Backgammon spielen«, flüsterte April.
»Ah… du hast die Superhirnfraktion entdeckt.« Caro lächelte und nickte in ihre Richtung. »Das sind unsere Intelligenzbestien, hauptsächlich Mathe-Asse oder Quantentheoretiker. Versuch erst gar nicht, dich mit ihnen zu unterhalten, es sei denn, du kennst von der Zahl Pi die zwanzigste Stelle nach dem Komma. Die kommen von überall aus der Welt – du wirst feststellen, dass Ravenwood ziemlich multikulti ist. Und die Londoner, die hier sind, schwimmen alle im Geld, Anwesende ausgenommen.«
April runzelte die Stirn. »Wen meinst du damit?«
»Mich. Ich gehöre zu den Außenseitern, wie alle Schüler mit Stipendium. Meine Mutter ist Friseurin, mein Vater Fensterputzer, was mich hier zu so etwas wie einem Marsmenschen macht.«
April nickte lächelnd. Obwohl sie dieses Mädchen gerade erst kennengelernt hatte, fühlte sie sich jetzt fast schon so, als würde sie dazugehören – auch wenn sie damit ein Mitglied der Außenseiter war. Caro deutete auf ein paar Schüler neben einem der Getränkeautomaten, die sich um einen hübschen Typen mit kunstvoll zerzausten blonden Haaren scharten. Sie waren alle unglaublich elegant gekleidet und hatten etwas Aristokratisches an sich.
»Wer sind die?«, fragte April.
»Das sind unsere Rugby-Jungs. Die meisten von denen wollen später mal Jura oder etwas ähnlich Schwergewichtiges studieren und beschäftigen sich intensiv mit Philosophie und internationalen Beziehungen, weil sie alle mal unweigerlich als Politiker Karriere machen werden. Dass diesen Typen keinen Millimeter über den Weg zu trauen ist, muss ich wohl nicht extra betonen.« Caro folgte Aprils Blick und lächelte gequält. »Und um deine Frage vorwegzunehmen: Der hübsche Kerl mit den blonden Haaren ist Benjamin Osbourne. Dem kannst du am allerwenigsten trauen.«
In diesem Moment drehte sich der Junge, der neben Benjamin stand, um und sah April direkt in die Augen. Ein kleines Lächeln stahl sich in seine Mundwinkel, als er ihr fast unmerklich zunickte. April stockte vor Überraschung beinahe der Atem. Es war der dunkelhaarige Junge, den sie gestern Abend auf dem Platz gegenüber ihrem Haus gesehen hatte. Ihr Herz begann schneller zu schlagen.
»Oh-oh«, sagte Caro.
April sah sie erstaunt an. »Was ist?«
»Dieser junge Gott ist Gabriel Swift. Reine Zeitverschwendung«, erklärte Caro. »Er gehört zu diesen anbetungswürdigen Typen, die für uns Normalsterbliche unerreichbar sind. Ich glaube, er interessiert sich eher für ältere Mädchen, jedenfalls hab ich ihn noch nie mit einer Schülerin von hier gesehen.«
April warf ihm noch einmal einen verstohlenen Seitenblick zu und stellte enttäuscht fest, dass er nicht mehr zu ihr herübersah.
»Und wer sind die da drüben?« April deutete auf ein Sofa in der Mitte des Raums, auf dem sich fünf oder sechs überirdisch schöne Mädchen aalten, die in ihren ausgewählten Designerkleidern pure Makellosigkeit verströmten.
»Das da – das sind die Schlangen«, sagte Caro mit grimmigem Lächeln. »Die ›falschen Schlangen‹, um genau zu sein. Im Prinzip teilt Ravenwood sich in zwei Gruppen auf – die Superschlauen und die Superreichen. Diese Mädchen gehören zu den Reichsten der Reichen und außerdem zur gefürchtetsten Clique der Schule. Aber solche gibt’s wahrscheinlich überall, oder?«
April nickte. Selbst an der St. Geoffrey’s hatte es eine Clique arroganter hübscher Mädchen gegeben, die immer in den neuesten Designerklamotten herumgelaufen waren, auf alle gewöhnlichen Schüler herabgeblickt und eine Art Sport daraus gemacht hatten, über andere herzuziehen. In Edinburgh, wo so ein Getue total albern gewesen war, hatten sie und Fee darüber lachen können, aber die Mädchen hier an der Ravenwood School waren so schön und wirkten so unerschütterlich selbstbewusst, dass sie etwas Furchteinflößendes an sich hatten.
»Das Gesamtvermögen der Mädchen, die du da auf dem Sofa siehst, beträgt ungefähr vierzig Milliarden Pfund«, sagte Caro lässig. »Das heißt, natürlich gehört das Geld ihren Eltern, aber trotzdem.«
»Da vorne sitzt das schwarze Kaninchen«, sagte April, die gerade das Mädchen mit der goldenen Mähne wiedererkannt hatte. In dem Moment, in dem sie zu ihr rübersah, ging Benjamin auf sie zu und setzte sich neben sie. »Wow. Ist das ihr Freund? Hat die ein Glück.«
»Ihr Bruder.« Caro lächelte. »Davina und Benjamin Osbourne. Ihr Vater Nicholas ist einer dieser
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