Die Schule der Nacht
gezogen, und ich war der Meinung, das würde reichen, um ihn ruhigzustellen. Aber ich habe mich geirrt.«
»Aber ich verstehe nicht… Von welcher Anziehungskraft reden Sie?«
»Sie sind eine Furie, April. Ob es Ihnen nun gefällt oder nicht, Tatsache ist, dass Sie das natürliche Gegengewicht zu den Vampiren darstellen. Sie ziehen Vampire an wie das Licht Motten. Ihr ganzes Sein ist darauf ausgerichtet, sie anzulocken: Ihr Äußeres, der Klang Ihrer Stimme, ja, selbst Ihr Körpergeruch. Es muss Ihnen doch aufgefallen sein, dass die Schüler an der Ravenwood recht ungewöhnlich auf Sie reagiert haben?«
April bekam eine Gänsehaut. Natürlich war ihr das nicht entgangen, doch sie hatte angenommen, es läge daran, dass sie als neue Schülerin für die anderen interessant gewesen war. Aber als sie jetzt darüber nachdachte, musste sie zugeben, dass das einiges erklären würde: zum Beispiel, warum Milo Asprey sie geküsst und Davina um ihre Freundschaft gebuhlt hatte. Bedeutete das, dass es wirklich wahr war? War sie wirklich anders als alle anderen? Sie wollte nicht anders sein.
Miss Holden sah sie an. »Sie sagen ja kaum etwas.«
April schüttelte den Kopf. Sie zögerte immer noch, sich der Lehrerin zu öffnen und ihr zu sagen, wie wütend es sie machte, ungefragt in diese Rolle gepresst worden zu sein und ihre Freunde und ihre Familie dadurch in Lebensgefahr zu bringen. »Ehrlich gesagt, fällt es mir schwer, über das, was Sie mir sagen, begeistert zu sein. Mein Vater ist umgebracht worden, ich wurde von einem Wahnsinnigen attackiert und… ich weiß nicht… mir geht im Moment einfach sehr viel im Kopf herum.«
»Sprechen Sie von Gabriel?«, fragte Miss Holden.
April sah ihre Lehrerin an und stellte fest, dass sie verständnisvoll lächelte.
»Ich glaube nicht, dass er sich zu Ihnen hingezogen fühlt, weil Sie eine Furie sind«, sagte Miss Holden. »Ich denke, es gibt dafür eine sehr viel einfachere Erklärung.«
Als April keinen Ton hervorbrachte, legte Miss Holden ihr sanft eine Hand auf den Arm. »Ich weiß, was er für Sie getan hat, April. Es war eine wundervolle, eine vollkommen selbstlose Tat, ganz gleich, wer oder was er ist. Und vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen sage, dass Gabriel Swift sich meines Wissens nie wieder für eine andere Frau interessiert hat, seit er Lily verloren hat.«
»Sie wissen von Lily?«, staunte April.
»Ich kenne die ganze Geschichte, April. Als Wächterin ist es meine Aufgabe, stets zu wissen, wo die einzelnen Vampire sich aufhalten und was sie tun. Sehen Sie sich bitte trotzdem vor. Er hat Ihnen zwar das Leben gerettet, aber er ist und bleibt ein Vampir.«
April traten erneut die Tränen in die Augen, und sie senkte den Kopf. »Nicht mehr lange«, sagte sie leise.
Miss Holden stellte ihre Tasche auf den Tisch und holte ein Buch heraus. »Ich muss leider wieder in die Schule zurück, aber ich lasse Ihnen das hier da.«
Sie schob ihr ein in Leinen gebundenes, altertümlich aussehendes Buch zu, wie es sie in Mr Gills Buchhandlung zu Tausenden gab. Auf dem Rücken stand in verblasster Schrift der Titel Magie und Ritual .
»Darin werden Sie viele Antworten auf Ihre Fragen finden«, sagte sie. »Es ist eine Art Handbuch für mythische Wesen aus dem Jahr 1840. Sie können so ziemlich alles, was darin steht, für bare Münze nehmen.« Sie tippte kurz auf ein leuchtend pinkfarbenes Post-it, das zwischen den Seiten steckte. »Das sechste Kapitel wird Sie vielleicht ganz besonders interessieren, deswegen habe ich Ihnen die Stelle markiert, obwohl ich Ihnen das als Wächterin eigentlich nicht sagen dürfte. Nehmen Sie es als Zeichen meines guten Willens.«
April sah sie fragend an, aber Miss Holden lächelte nur.
»Sie werden es dann schon verstehen«, sagte sie und stand auf. »Ach ja, ich habe Ihnen auf dem Post-it meine Nummer notiert. Rufen Sie mich an, wenn Sie sich dem Ganzen etwas besser gewachsen fühlen, dann können wir unsere Unterhaltung fortsetzen. Meine Tür steht Ihnen natürlich jederzeit offen«, fügte sie mit einem kleinen Lächeln hinzu.
April war mittlerweile ebenfalls aufgestanden und begleitete Miss Holden in die Eingangshalle. Vor dem Aufzug blieb sie stehen. »Was passiert, wenn ich wieder in die Schule komme?«, fragte sie.
»Alles wird wie gewohnt weitergehen. Ich bin Ihre Lehrerin und Sie nichts weiter als eine Schülerin unter vielen.«
»Aber ich kann doch nicht einfach so tun, als ob nichts geschehen wäre!«
Miss Holden sah sie
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