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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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dieses Strauchs neue Blätter tragen, und in den Beeten werden Blumen blühen. Die Welt befindet sich in einem ständigen Kreislauf, den man nur wahrnimmt, wenn man selbst verletzlich ist. Als sterblicher Mensch schlägt einem trostloses Regenwetter aufs Gemüt, man hat Angst, krank zu werden, und freut sich auf den Frühling. Einem Vampir ist das egal, weil ihm nichts etwas anhaben kann. Es ist merkwürdig, aber ich fühle mich so lebendig wie schon lange nicht mehr, seit ich sterbe. Genauer gesagt… seit ich dich habe.«
    »Aber vielleicht musst du ja gar nicht sterben«, sagte April, der sofort wieder Tränen in die Augen stiegen. »Vielleicht gibt es ein Heilmittel.«
    Gabriel legte ihr seine kalte Hand an die Wange. »Das gibt es, April.« Er lächelte. »Dich. Du bist das Heilmittel.«
    »Ich habe dich doch gerade erst gefunden«, flüsterte April, und eine Träne rollte ihr über die Wange. »Warum muss ich alles, was ich liebe, verlieren?«
    Gabriel nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie. Seine Lippen waren unendlich weich und warm, und als April sich an ihn schmiegte, spürte sie, dass sein Herz genauso schnell schlug wie ihres. Fühlte sich so die Liebe an?, dachte sie, doch dann zog sie sich plötzlich erschrocken zurück und stieß ihn mit ihrem gesunden Arm von sich.
    »Gott, was tust du da?«, sagte sie. »Du darfst mich nicht küssen!«
    Gabriel lachte. »Und ob ich darf!« Er zog sie wieder an sich und küsste sie von Neuem. »Schließlich kannst du mich nicht zweimal anstecken.«
    April war nicht überzeugt. »Aber vielleicht wird es dadurch schlimmer.«
    Er sah sie liebevoll an und legte ihr zwei Finger auf die Lippen. »Schsch. Vertrau mir, ich bin Arzt.«
    »Du bist was ?«
    Er warf den Kopf in den Nacken und brach in Lachen aus, aber das leise Rasseln, das dabei in seinen Lungen zu hören war, gefiel April ganz und gar nicht. »Vergiss nicht, dass ich über hundert Jahre alt bin«, sagte er. »In der Zeit kann man eine Menge lernen. Mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen – jede Nacht auf einer Kirchenorgel zu spielen wird auf Dauer nämlich ein bisschen langweilig.« Er zwinkerte.
    April starrte ihn fassungslos an. »Du bist Arzt ?«
    Seltsamerweise fiel es ihr schwerer, das zu glauben, als dass er ein Untoter war.
    »Ich habe dir doch erzählt, dass ich noch studiert habe, als ich gewandelt wurde, erinnerst du dich? Danach habe ich von Recht auf Medizin umgesattelt. Da ich regelmäßig Blut brauchte, um zu überleben, schien mir das eine vernünftige Entscheidung. Leider darf ich nicht praktizieren, sondern muss mich damit zufriedengeben, ständig neue Prüfungen abzulegen.«
    »Warum das?«
    »Weil ich so jung aussehe«, antwortete er. »Ich gehe gerade mal für Anfang zwanzig durch und damit höchstens als Assistenzarzt. Also muss ich alle paar Jahre noch mal ganz von vorn beginnen und mich woanders neu qualifizieren.«
    »Aber wenn du ständig Blut siehst, löst das nicht permanent so eine Art Heißhunger in dir aus?«
    Gabriel schüttelte den Kopf. »Genau das Gegenteil ist der Fall. Stell dir vor, du bist drogensüchtig und arbeitest in einer Apotheke. Da würdest du dich doch auch nicht die ganze Zeit zudröhnen, oder? So viel Blut zur freien Verfügung zu haben macht es für mich einfacher.«
    »Aber gibt es nicht auch andere Möglichkeiten, an Blut zu kommen?«
    »Doch, natürlich. Die meisten Vampire haben Blutgeber, die ihnen erlauben, jeden Tag ein bisschen von sich zu trinken.«
    »Du nicht?«
    »Früher schon«, sagte er, was April einen eifersüchtigen Stich versetzte, obwohl sie wusste, dass es lächerlich war.
    »Dann hast du also Zugang zu den Blutbanken?«
    Gabriel nickte. »Es ist nicht so, dass ich irgendjemandem etwas wegnehmen würde – es gibt immer einen riesigen Überschuss der Blutgruppe 0.«
    »Jetzt verstehe ich auch, warum du meinen Arm so professionell verarztet hast!«
    Gabriel nickte wieder. April versuchte, sich daran zu erinnern, was auf dem Friedhof genau passiert war, aber durch ihren Kopf wirbelten nur unzusammenhängende Bruchstücke von Bildern und Eindrücken: das Gefühl zu fallen, Grabsteine, Bäume, Marcus’ blutüberströmtes Gesicht…
    »Warum hast du es getan, Gabriel?«, fragte sie und sah ihn eindringlich an. »Warum hast du mich gerettet?«
    Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Weil ich dich nicht gehen lassen konnte«, sagte er sanft.
    »Aber dafür wirst du bald gehen müssen.« Wieder traten ihr Tränen in

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