Die Schule der Nacht
auch ist – nicht der heimliche Strippenzieher ist, der hinter der Ravenwood School steht. Außerdem wissen wir immer noch nicht, was es mit dieser E-Mail auf sich hat, die Mr Osbourne dem Falken geschickt hat. Ich meine, wofür braucht er die Ravenwood-Schüler?« Als sie Aprils besorgten Gesichtsausdruck bemerkte, entschuldigte sie sich hastig. »Aber darüber musst du dir im Moment nicht den Kopf zerbrechen, Süße. Außerdem haben Gabriel und ich gestern Abend so eine Art Kriegsrat abgehalten, und Big Gabe vermutet, dass die Giftzähne sich jetzt erst einmal still verhalten werden. Im Moment lastet einfach ein zu großer Druck auf ihnen. Und außerdem haben sie bestimmt auch noch jede Menge Weihnachtskäufe zu erledigen – Umhänge, Kerzen, Blutfleckenentferner, solche Dinge eben.«
April kicherte und zuckte erneut vor Schmerz zusammen.
»Wie kommt eigentlich deine Mutter mit allem klar?«, erkundigte Caro sich.
»Das klingt jetzt vielleicht zynisch, aber ich glaube, es war ganz heilsam für sie, dass ihre Tochter auf der Intensivstation gelandet ist«, sagte April. »Jetzt hat sie wieder etwas, worüber sie sich Sorgen machen und aufregen kann. Jedenfalls sieht sie wesentlicher gesünder aus als noch vor ein paar Tagen. Ich habe auch das Gefühl, dass sie und mein Großvater sich im Moment ganz gut vertragen. Die beiden haben angekündigt, sich zu einem ausführlichen Gespräch mit mir zusammensetzen zu wollen, wenn ich mich erholt habe. Ich bin mal gespannt, was dabei herauskommt. Wahrscheinlich, dass ich die Finger von wahnsinnigen Jungs lassen soll.«
»Ach, sieh an… Wenn man vom Teufel spricht«, sagte Caro plötzlich mit einem Grinsen und nickte zur Tür. April drehte den Kopf und sah Gabriel dort stehen. Ihr Herz schlug sofort einen Purzelbaum. Er war in einen dicken Mantel gehüllt und sah erschöpft aus.
»Hallo, Batman«, begrüßte Caro ihn und stand auf. »Jetzt bist du an der Reihe, unsere Patientin aufzuheitern.«
»Hey, meinetwegen musst du nicht gehen«, sagte Gabriel, aber Caro wedelte mit der leeren Tüte. »Meine Vorräte sind alle.« Sie beugte sich zu April hinunter und küsste sie zum Abschied auf die Wange.
Als sie weg war, setzte Gabriel sich auf den Stuhl neben dem Bett, und die beiden lächelten sich verlegen an. April freute sich, dass er gekommen war, aber es schmerzte sie, dass er so schlecht aussah. Es gab so vieles, das sie ihm sagen wollte, aber sie wusste einfach nicht, wie. Sie setzte sich auf, schwang die Beine aus dem Bett und griff nach ihrem Bademantel.
»Wir gehen ein bisschen im Garten spazieren«, gab sie einer Schwester Bescheid, als sie das Zimmer verließen, dann hakte sie sich bei Gabriel unter und ließ sich von ihm zum Aufzug führen, der sie in die Eingangshalle beförderte, in der sie auch an dem Abend gewartet hatte, an dem ihr Vater gestorben war.
Durch den Hintereingang gelangten sie in den Garten, von dem aus man Richtung Norden auf den Waterlow Park blickte und Richtung Süden auf einen Teil des Highgate-Friedhofs. Als April zwischen den kahlen Ästen der Bäume hindurch einen Blick auf das Anwesen der Osbournes erhaschte, schauderte ihr. Gabriel legte ihr fürsorglich seinen Mantel um die Schultern, was mittlerweile fast zu einem Ritual zwischen ihnen geworden war, und dann schlenderten sie einen kleinen Weg entlang.
»Wie geht es dir?«
»Ganz gut eigentlich.« April deutete auf ihren verbundenen Arm. »Die Ärzte sagen, ich würde mich erstaunlich schnell erholen. Nicht so schnell wie du natürlich… Ich meine, nicht so schnell, wie du dich früher erholt hast… Tut mir leid, das war gedankenlos von mir.«
Gabriel lachte. »Hey, mach dir keine Sorgen. Ich bin so weit okay. Vielleicht hört es sich komisch an, aber irgendwie gefällt mir dieser Zustand sogar ganz gut.«
»Wie kannst du so etwas sagen?« April sah ihn traurig an. »Du stirbst.«
Gabriel stieß einen langen Seufzer aus. »Ich war schon seit über hundert Jahren nicht mehr krank. Keine Erkältung, keine Kopfschmerzen, ich hatte höchstens mal einen kleinen Kratzer. Wenn man sich daran gewöhnt, kann einen das ziemlich selbstzufrieden und arrogant machen. Man verliert den Bezug zum echten Leben.«
Sie setzten sich auf eine Bank in der Nähe der Friedhofsmauer, und Gabriel strich gedankenverloren über die kahlen Zweige eines Strauchs.
»Schließlich geht es in der Natur letztlich immer um Vergehen und Neubeginn…«, sagte er leise. »In ein paar Monaten werden die Zweige
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