Die Schule der Nackten
Jedenfalls blickten sie eigenartig blicklos und waren ungewöhnlich schweigsam.
In der Nacht aber verschluckte ich meine Zunge, es war nicht meine richtige Zunge, nur die im Traum, und meine beiden Zimmergenossen fand ich in Panik aufrecht auf ihren Matratzen sitzend vor. So sehr hatte ich sie erschreckt.
Wir saßen dann zu dritt und pumpten, frühmorgens um fünf, zogen an und ließen locker, zogen an und ließen locker, wir pumpten bis kurz vor dem Aufstehen, bis uns die Kräfte verließen.
*
Der nächste Tag begann mit Regen, der Hof war quatschnaß, die Hühner hatten sich verzogen, und unser morgendliches Sichaufhängen «in alle vier Himmelsrichtungen» fiel buchstäblich ins Wasser. So standen wir gedrängt in der offenen Tür und blickten ins Graue.
Dennoch sollte dieser Tag noch strahlend hell werden, wie der Pradi verkündete, wir würden «unsere innere Flöte öffnen». Dazu bedurfte es aber Vorbereitungen: Wir sollten in leichter Kleidung erscheinen, in Laiis und Lungiis oder, wenn nicht vorhanden, in Hemden oder ähnlichem. Ich kam im Pyjama, der ungebleicht, knöpf- und kragenlos zur Not als indisch durchgehen mochte. Juliane in einem leichten flatternden Laken, das sie sich seitlich verknotet hatte. Auch die Thea flatterte, und die magere Hespe hatte sich eine fast durchsichtige Batik übergeworfen. Dazu war der Hauptraum (Tempel des Tantra) entsprechend stark eingeheizt. Für unsere leichte Aufmachung.
Rudi übrigens trat mit nur einem Handtuch um die Lenden auf, und der junge Spund hatte offenbar schon wieder einen Ständer in der Unterhose. Wohl in Erwartung des Kommenden. Und um hier noch den richtigen Begriff einzuführen: Der Yati, der aufsteht und das Haupt hebt, heißt jetzt Lingam («Lingam» ist sein Name), daran sollte nichts Anstößiges sein.
Aber nun die große Überraschung: Wir lernten atmen! Ich hatte gar nicht gewußt, daß ich es nicht konnte. Man denkt, da zieht man sich etwas Luft rein, und das ist es. Das ist es aber nicht! Es ist der Atman, der einströmt, und der Atman, der ausströmt, es ist der Geist! Und diesen empfangen wir von unserem Pradi, der sich diesmal einen schwarzen Sarong umgebunden hatte, mit brauner Borte.
Wir in leichter Bekleidung in gemischter Anordnung liegend, Juliane sehr weit entfernt zwischen zwei ihrer neuen Freundinnen, der Pradi stehend:
«Ein – – – »Pause« – – und ausatmen.»
Aber nicht so ein bißchen, sondern ganz hochziehen bis hoch zum Scheitel - und tief auslassen, bis zum letzten Rest, so wird es gemacht.
«Aaus», rief der Pradi, « – – und aaus – – »
Und wir lagen da und ließen den Atman aainströmen und aausströmen, den Geist, den Spirit, von dem wir gedacht hatten, daß er Luft wäre.
«– – und raaaus – – », ganz raus bis zum Anschlag!
Bis runter zum Schritt, bis zur Sexualgegend, damit alles rauskommt (wobei mir automatisch das Leiden der Königin Viktoria einfiel).
«Stellt euch einen Fahrstuhl vor», erklärte der Pradi, «der aufwärts fährt bis unter das Dach und dann abwärts bis in den Keller, auf und ab.» Und wir lagen da und ließen den Fahrstuhl aufwärts fahren und abwärts fahren. Ein ganz gutes Bild. Es kam darauf an, unten zuzumachen, wenn man aufwärts fuhr, und aufzumachen, wenn es hinabging. Oder umgekehrt.
«Hochfahren – – und zumachen», rief der Pradi, «runter – – und aufmachen!» Und was? Den kleinen schmetterlingsförmigen Muskel, den wir ja auf- und zuzumachen genügend gelernt haben sollten. Während ich allerdings den Verdacht hegte, daß mein Fahrstuhl abwärts fuhr, wenn er bei anderen Leuten aufwärts fuhr, und wann sollte ich jetzt zumachen, es war nicht ganz klar. Dazu darf ich aber vielleicht eine Erklärung abgeben: Wenn hier irgendwelche Luft gepumpt wird, ist das natürlich spirituell zu verstehen. Es ist eine nur imaginäre Luft, die hier bis zum Scheitel fährt, und es ist eine nur imaginär vorhandene Öffnung, eine kontemplative Öffnung, durch die sie unten wieder ausfährt: eine Sexualöffnung. Während mir wieder das bedauernswerte Geschick der Königin anläßlich eines offiziellen Banketts einfiel.
Die drei Fürze der Königin Viktoria.
Beim ersten erhebt sich der französische Botschafter und entschuldigt sich in aller Form.
Beim zweiten ist es der italienische Botschafter, der sich untröstlich zeigt.
Aber beim dritten erhebt sich der Deutsche…
… und schmettert: Diesen und die nächsten drei übernimmt die deutsche Botschaft!
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