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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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gegenüberliegenden Schmalseiten des Tempels (des Tantra), und alle mit dem Gesicht zur Wand.
    Es gab sogar einige Unruhe auf der Weiberseite, als es hieß: Jetzt ziehen wir uns aus. Nicht ganz verständlich, denn deshalb waren wir ja hergekommen. Diese kleinen Zicken da drüben stießen doch tatsächlich ein paar «ach« und «ganz?» aus, ich darf sagen, wir Männer blieben bei dieser Gelegenheit weit gelassener. Standen da frei und luftig um die Beine vor der Wand, blickten auf das Korn des Mauerputzes, ich für meinen Teil mit einiger Erwartung, ich war ja gewarnt.
    Das Ritual schrieb vor, voranzugehen ohne zu wissen, wohin - und vor allem, zu wem -, nichts zu sagen, nichts zu fragen, nicht den Blick vom Boden zu erheben, und das Ganze hieß: Die Begegnung. Wir drehten uns um.
    – – – Einen Schritt.
    – – – Noch einen Schritt.
    Langsam. Die Augen am Boden. Noch einen Schritt.
    Es war, wie man erkennt, ein restriktives Ritual und ein sehr langsames dazu. Es sollte wohl Symbolcharakter haben: Die Menschenkinder, die sich ihrer Bestimmung näherten.
    Mit gesenktem Blick zentimeterweise zur Saalmitte.
    Eine kurze Unterbrechung: «Juliane.»
    Aber nicht aufschauen.
    «Juliane, würdest du bitte mit deiner Nachbarin den Pla tz wechseln. Nein, mit der anderen.»
    Woraufhin ein gewisser Wechsel stattfand. Ich hatte in diesem Fall ein ganz gutes Gespür, so als ob ich mich hier einer spirituellen Juliane nähern sollte, ich spürte sie deutlich, mir gegenüber, spürte ihre Nähe. Ich meine, bei allen Vorbehalten durfte ich doch eine Ahnung dessen haben, was hier möglicherweise auf mich zukommen würde. Wie immer man das nennen will, eine Sensibilisierung, bei aller Restriktion eine langsame Annäherung? Bis mir, ja, die Füße ins Blickfeld gerieten. Ja, da waren es ein paar kleine weiße mit dünnen blauen Äderchen auf dem Rist. Juliane hatte größere braune mit einer Schrägstellung der großen Zehe, und die stimmte auch nicht.
    Um es ganz klar herauszuarbeiten, das war Absicht, der Wechsel war nicht zu meinem Besten erfolgt. Denn als ich (ungeheuer langsam) aufschauen durfte, da waren da ein paar zarte weiße Wadenansätze zu sehen, eindeutig einer fremden Dame gehörig.
    Einer nicht allzu großen.
    Höher hinauf hatte ich es mit zwei relativ zarten Kniescheiben zu tun, dann mit zwei Oberschenkeln, Innenseiten und Außenseiten, denn da war ein Unterschied: Außen war die Haut ein wenig rauher, während sie innen glatt war wie eine Milchoberfläche. Darüber - der Blick darf sich heben - erschien ein schwarzes Dreieck. Ich dachte, was ist das, ein richtig scharf gezeichnetes Dreieck, so wie man es früher hatte. Unrasiert, sogar etwas ins Bläuliche gehend, bestehend aus feinem Kraushaar, feinen Korkenziehern, metallisch glänzend.
    Da hatte ich meine Partnerin.
    Das übrige war dann leicht zu erfassen: Die Traudl, Frau Fetter, mein Gott, war sie nackt! Sie war viel nackter, als es eigentlich möglich sein sollte, sehr beklommen, fühlte sich sichtlich unbehaglich in ihrer Haut. Sie besaß keine Hüften, aber eigentlich auch keine Taille, nur zwei Dellen über den Beckenkämmen, die ihrerseits spitz herausstanden. Höher hinauf gab es dann zwei hochangesetzte flache Brüstchen, noch mehr weiße Milchhaut, und noch höher zwei Schlüsselbeine und einen Hals, letzterer gegenüber der Milchweiße fast ein wenig bräunlich. Aber auch weiß.
    In Augenhöhe mit Frau Fetter.
    «Machen Sie sich keine Sorgen», sagte ich.
    Es war so, daß mich eigentlich Erbarmen packte, angesichts der Lieblichkeit, der ich hier notgedrungen begegnete. So wie man einen völlig verängstigten grünen Rasen betritt. Und es war auch so, daß ich sofort die ganze Ehetragödie begriff, die schweigsamen Kaffeestunden in der Küche, die verunglückten Nächte, der stille Abscheu am Morgen. Sicherlich ein Werk des Ehemannes Fetter, der soeben den Blick zu der kommunikativen Friede erhob - von sich aus wäre die arme Ehefrau nie und nimmer auf die Idee gekommen. Ich meine, auf diese Tragödie hier.
    «Haben Sie keine Angst», sagte ich, «wir werden das unbeschadet hinter uns bringen», empfing dafür einen mehr oder weniger verständnislosen Blick.
    Die Begegnung.
    Pradi - wie sich jetzt herausstellte - hatte inzwischen auch seine Kleidung abgelegt. Desgleichen die assistierende Sindra, die eine deutliche Vorstellung vermittelte, zu welchem Ergebnis ein solcher fortgesetzter Mißbrauch führt: zu totaler Magerkeit. Sie war auf geradezu

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