Die Schule der Nackten
am Ende doch nicht ganz ausreichten. Mir zum Beispiel hatten sie keinen gegeben, konnte mir aber vom rechten wie vom linken Nachbarn jeweils einen ausleihen, um an der Selbstbetrachtung, mit welchem Ergebnis auch immer, teilzunehmen. Dazu Gespräche im Kreis, man spricht von sich, was man sich wünscht, was man erwartet, was man sich vorstellt.
«Wie empfinde ich meinen Körper(teil), was mag ich an ihm, was mag ich nicht, und wie möchte ich mit ihm (dem Teil) akzeptiert werden.»
«Wie möchtest du denn, daß du akzeptiert wirst», fragte Pradi behutsam.
«Ich möchte, daß…»
«Ja?»
«Ich möchte…»
«Ja?»
Allerdings war unschwer festzustellen, daß wir Büffelmenschen, Bärenmänner und Hirschtypen uns immer noch im Defizit befanden. Weshalb wir jetzt doch etwas von dem Öl nehmen sollten. Nicht wahr. Wir haben bemerkt, daß sich vor jedem Teilnehmer ein Töpfchen mit dem Öl befindet, und nun wollen wir doch ganz leise erst, ganz zart – – dann vielleicht etwas stärker – –
«Wir wollen uns jetzt den Yati massieren», sagte Pradi ernst. Jeder für sich (und Gott für uns alle).
*
Also gut, es kamen dann noch Farbunterschiede zur Geltung, so daß es zusätzlich den «Athener», den «Römer» gab, auch noch den «Norweger» und den «Schweden». Und wenn man mich fragte, unser Pradi war eindeutig «Oberlauf des Nils» mit seiner braunen Verfärbung. Ich nehme an, daß in der Frauengruppe an diesem Vormittag ähnliche Übungen stattgefunden hatten, denn zum Mittagessen waren alle gleichermaßen aufgeweicht, Jungs und Mädels, aufgeweicht und sehr fröhlich. Juliane war anscheinend inzwischen lesbisch geworden, sie schäkerte beim Essen mit mindestens drei Frauen, einen Arm um den Hals, eine Hand auf dem Knie. Höchstens, daß sie mir einen triumphierenden Blick zusandte, während ich einen einsamen Löffel in den Mund schob. Es gab Reis, Patah genannt, Reis auf Hühnersuppe.
Aber am Nachmittag sollten wir etwas wirklich Brauchbares lernen. Wir lernten «Pumpen».
*
Ich möchte in diesem Fall einmal auf technische Einzelheiten eingehen, vielleicht daß dabei im nachherein die verborgenen Talente des Pradhi Rama erklärt werden, die seinerzeit - man erinnert sich soviel Mühe bereitet hatten.
Es handelt sich um das Auffinden einer rudimentären Greiffunktion eines kleinen schmetterlingsförmigen Muskels in der Dammgegend, der normalerweise gar nicht vorhanden ist. Und es stellt diese Übung eine Vorstufe zu anderen höheren Übungen dar, ist insofern unverzichtbar. Unbedingt zu erlernen. Zu diesem Zweck also versammelten wir Männer - nur wir Männer - uns wiederum in dem großen Hauptraum.
Stießen uns erst einmal frei, nach dem Essen - ich hätte ja einen Verdauungsschlaf vorgezogen -, ließen uns eine Viertelstunde lang ins Becken fallen, ich will mich jetzt nicht wiederholen. Legten uns dann angezogen, wie wir waren, auf den Boden.
Und nun der Muskel, der PC, der Pubococcygealmuskel. Also, den zieht man zusammen, indem man sich auf die Gegend des Darmausgangs konzentriert (mit nach innen gerichtetem Blick), um dort etwas zusammenzuziehen, was eigentlich nicht vorhanden ist.
Dazu mußte es aber erst einmal gefunden werden.
Es liegt also knapp hinter dem Hodenansatz, und es ist mehr ein Gefühl als eine bestimmte anatomische Stelle, am Damm, im Schritt, «fühlt ihr es?» Wir fühlten es - ich darf für mich sagen, daß ich mir größte Mühe gegeben habe. Und jetzt, nachdem wir es gefunden haben, ziehen wir es alle einmal an! Was?
Ziehen an - und lassen locker.
«Nicht den Schließmuskel!»
Wir hatten natürlich alle den Schließmuskel angezogen. Der Pradi konnte das nicht wissen, ich wußte es trotzdem.
«Und auch nicht den Hodenheber!»
Jetzt hatten wir alle unsere Hodenheber angezogen.
«Sondern den dazwischen!»
Den kleinen Schmetterlingsförmigen.
Es lief schließlich darauf hinaus, daß wir noch sehr viel Übung benötigen würden. «Wir haben viel erreicht», anziehen und locker lassen, aber damit sollten wir uns für den heutigen Tag zufriedengeben. Nicht alle Geheimnisse seien an einem Tag gelöst worden, sagte der Pradi, von jetzt ab hieße es, üben und üben und nochmals üben.
An diesem Abend sah man die Männer mit eigenartig verdrehtem Blick herumgehen, auch sitzen, stehen, sogar essen. Und die Frauen? Die eigentlich auch. Offenbar befanden auch sie sich auf der Suche danach, wo immer es sich befinden mochte (nic ht gerade hinter dem Hodenheber).
Weitere Kostenlose Bücher