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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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hat er wohl krumm genommen, sollte er auch, mir war sowieso nicht zum Spaßen zumute. Aber als er mich dann tatsächlich mit der Faust vor die Brust stieß, ja, da habe ich ihm voll eine geschauert. Aggressionen finden oft unvermutete Kanäle. Habe ihm richtig eine verpaßt.
    Obwohl, bei Licht besehen, es kaum mehr als eine ausfahrende Bewegung gewesen sein kann. Bamm!

    *

    Daraufhin Totenstille. Den Rest des Nachmittags nahmen wir dann frei - nach dieser Episode -, wir hatten Gelegenheit zum Ruhen, zu Zweier- und Dreiergesprächen. Mir selbst allerdings stand der Sinn nach einem Gang in der frischen Luft, leider konnte ich Juliane nicht finden, sie war plötzlich spurlos verschwunden, war weder auf der Toilette noch in einem der Schlafräume. Im Bad auch nicht. Also zog ich alleine los.
    Herbstliche Elegie. Kartoffelfeuer, glaube ich, gibt es gar nicht mehr, trotzdem roch die Luft danach, auch nach etwas Grünlichschwarzem. Und nach nassem Stroh. Als ich so dahinging.
    «Willst du darüber reden?»
    Da hat er mich aber doch erschreckt, denn wie ich soeben ein Gebüsch umrunde, tritt plötzlich der Pradhi Rama hervor. Anscheinend hatte er sich auf einem anderen Weg hierher begeben, der Mann kannte sich schließlich hier aus - und das hätte ich mir merken sollen.
    «Eigentlich nicht», sagte ich.
    Er betrachtete mich sehr sorgsam. Der Mann war ja nicht dumm, sonst hätte er keinen Betrieb dieser Art aufziehen können, aber offenbar war ihm jemand wie ich noch nicht untergekommen.
    «So ist das mit der Gruppendynamik», sagte ich, «sie ist dynamisch. Irgendwann gibt es einen Toten, und den hat es nun gegeben.»
    «Ich mache dir einen Vorschlag.»
    «Ich zahle dir dein Geld zurück, die Hälfte.»
    Warum nur die Hälfte?
    «Das Seminar läuft seit drei Tagen, also sagen wir die Hälfte.»
    Das war einleuchtend.
    Und es wäre sogar ein guter Grund für mich gewesen, ein Grund mehr jedenfalls, denn so ein «dicker» Engel war ich nie. Bis auf den Unterton, den ich heraushörte, die Drohung, die leise (herbstliche) Elegie.
    «Weißt du, Pradi», sagte ich, «wenn ich es mir recht überlege, möchte ich doch den Rest nicht missen. Um keinen Preis.»
    – – –
    «Auch nicht um die Hälfte.»

16

    An diesem Morgen zogen wir uns aus.
    Ich hatte gut geschlafen, nachdem der Rudi auf eigenen Wunsch umquartiert worden war. An seiner Stelle lag da ein ruhiger kleiner Mann auf der Matratze, den ich bis dahin noch nicht bemerkt hatte. Doch - hatte ich doch - es war der Gerhard, dem immer übel wurde. Jedenfalls erwies er sich als angenehmer Zimmergenosse, machte sich ganz klein, schnarchte nicht, und ich hatte gut geschlafen.
    An diesem Morgen also entledigten wir uns der Kleidung, und zwar nach Geschlechtern getrennt: Die Männergruppe versammelte sich unter Obhut von Pradhi Rama im Hauptraum neben dem Eingang, während den Damen ein hinterer, verborgener Raum vorbehalten war, wahrscheinlich überwacht von der Dame Sindra. Diesen Raum übrigens sollten wir alle noch kennenlernen, es war der zum späteren Zeitpunkt umfunktionierte «Liebestempel». Er hieß dann auch so.
    Wir jedenfalls, wir Männer, waren ganz unter uns, zogen uns auf Geheiß in zwei Gruppen mit zur Wand gerichtetem Gesicht aus, drehten uns dann um, und da standen wir. Vielleicht konnte ich den Reiz der Veranstaltung nicht ganz nachvollziehen, aber es war schon bedrohlich, wie wir dastanden. Wir waren zehn, und die meisten waren kalkweiß, wo hatten sie ihre Farbe gelassen? Einer ging sogar etwas ins Grünliche, war knochig wie ein Lattenzaun, ein häßlicher Vogel. Aber das hätte man alles hinnehmen können, wären da nicht die Genitalien gewesen, was hatten sie sich bloß dabei gedacht. Einer trug einen so fürchterlichen Buschen, wie ein Bartträger, und einer hatte sich zwar rasiert, doch offenbar unglücklich. Oh, und ein anderer glücklich, und das sah noch schlimmer aus.
    In dieser Beziehung war ich ja nun als alter Freikämpfer, Freiluftkämpfer im Vorteil. Unser Pradi übrigens hatte sich fairerweise auch freigemacht und sah damit recht gut aus, formal jedenfalls. Bis auf die deutlich dunkle Tönung, fast ein Schwarz in dieser Beleuchtung.
    Also, nachdem wir uns lange genug voreinander gefürchtet hatten, sollten wir uns im Kreis hinsetzen, im Schneidersitz, oder doch so, wie es uns möglich war, während der Pradi einen echten Lotos vorführte. Also, der war… ich kann es nicht anders sagen, der war, mit dem links eingeflochtenen Fuß, einfach

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