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Die Schule der Robinsons

Die Schule der Robinsons

Titel: Die Schule der Robinsons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wir erst unsere augenblickliche Position genau bestimmen müssen. Heut’ ist endlich heller Sonnenschein und ein klarer Horizont. Wenn zu Mittag die Höhe gemessen wird, läßt sich eine verläßliche Berechnung machen und der Capitän wird uns dann den Curs vorschreiben.
    – Wo ist denn der Capitän? fragte Godfrey.
    – Er hat das Schiff verlassen.
    – Das Schiff verlassen?
    – Ja; unsere Hundewache glaubte infolge einer weißlichen Färbung des Meeres im Osten vor uns Riffe bemerkt zu haben, Riffe, welche sich auf den Seekarten nirgends finden. Deshalb ist die Dampfbarkasse segelfertig gemacht worden und Capitän Turcotte ist in Begleitung des Hochbootsmanns und dreier Matrosen weggefahren, um die Sache aufzuklären.
    – Seit wann?
    – Etwa seit anderthalb Stunden.
    – O, ich bedaure, davon nichts gehört zu haben, sagte Godfrey, ich hätte ihn mit größtem Vergnügen begleitet.
    – Sie schliefen noch, Herr Godfrey, erklärte der zweite Officier, und der Capitän wollte Sie nicht wecken lassen.
    – Das thut mir sehr leid; doch sagen Sie mir, in welcher Richtung ist er mit der Barkasse gefahren?
    – Dorthin, erklärte der Seemann, nach den Krahnbalken an Steuerbord weisend… gerade nach Nordosten.
    – Und man kann ihn mit einem Fernrohr sehen?
    – Nein, er ist noch zu weit von hier.
    – Er wird aber doch bald wieder kommen?
    – Er kann nicht mehr lange ausbleiben, versicherte der zweite Officier, denn der Capitän liebt es, selbst das Besteck zu machen, und dazu muß er noch vor zwölf Uhr wieder an Bord zurück sein«.
    Auf diese Antwort hin setzte sich Godfrey ganz vorn neben das Bugspriet und ließ sich ein Fernrohr bringen. Er wollte die Rückkehr der Barkasse beobachten. Daß Capitän Turcotte weggefahren war, um sich über die vorliegenden Verhältnisse zu unterrichten, konnte ihn nicht wundernehmen. Es war gegen zehneinhalb Uhr, als ein leichter Rauch, so dünn wie ein Federstrich, über dem Horizont aufstieg.
    Dieser rührte zweifellos von der Barkasse her, welche nach vollendeter Untersuchung nach dem Dampfer zurückkehrte.
    Godfrey machte sich ein Vergnügen daraus, ihr im Felde seines Fernglases zu folgen. Er sah, wie sie sich allmählich in deutlicheren Linien abzeichnete, über die Meeresfläche emporwuchs, wie die Rauchsäule, in welche sich schon einige weiße Dampfwolken mischten, am klarblauen Himmel scharf hervortrat. Es war ein vortreffliches Fahrzeug von großer Schnelligkeit, und da es unter vollem Dampfe fuhr, wurde es bald dem unbewaffneten Auge sichtbar. Gegen elf Uhr sah man schon das vor dem Buge desselben aufschäumende Wasser und hinter ihm einen langen wirbelnden Streifen, der sich wie der Schweif eines Kometen ausnahm.
    Um elfeinviertel Uhr traf Capitän Turcotte beim »Dream« ein und stieg auf das Deck desselben.
    »Nun, Capitän, was giebt es Neues? fragte Godfrey, ihm die Hand reichend.
    – Ach, guten Tag, Herr Godfrey!
    – Wie steht es mit den Klippen?…
    – Bloße Einbildung! antwortete Capitän Turcotte. Wir haben nichts Verdächtiges gefunden; unsere Leute werden sich getäuscht haben. Mir kam die Sache von Anfang an verdächtig vor.
    – So dampfen wir vorwärts? sagte Godfrey.
    – Ja, wir werden den gewohnten Curs wieder einschlagen; vorher muß ich jedoch noch das Besteck machen.
    – Befehlen Sie, daß die Barkasse wieder an Bord geholt wird? fragte der zweite Officier.
    – Nein, entgegnete der Capitän, wir könnten sie noch brauchen. Lassen Sie dieselbe nachschleppen!«
    Die Anordnung des Capitäns wurde ausgeführt, und die Dampfbarkasse, welche man unter Druck ließ, glitt allmählich hinter den »Dream«.
    Dreiviertelstunden später sah man Capitän Turcotte mit dem Sextanten in der Hand die Höhe der Sonne messen; dann führte er die dazu gehörige Berechnung aus und bestimmte die einzuhaltende Richtung.
    Nachdem er dann noch einen letzten Blick auf den Horizont geworfen, rief er den zweiten Officier und führte diesen nach seiner Cabine, wo die beiden Männer eine ziemlich lange Verhandlung hatten.
    Der Tag war sehr schön. Der »Dream« gelangte rasch vorwärts, und zwar ohne Mithilfe von Segeln, welche man alle gerefft hatte. Es wehte nur ein so schwacher Wind, daß derselbe bei der durch die Maschine allein erzielten Geschwindigkeit des Schiffes dieselben nicht mehr hätte anschwellen können.
    Godfrey war in rosigster Laune. Giebt es aber auch etwas Erquickenderes, etwas, was dem Gedankengange mehr Schwung, dem Geiste mehr Befriedigung

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