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Die Schule der Robinsons

Die Schule der Robinsons

Titel: Die Schule der Robinsons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Verlobte, die seiner harrte, keinen Onkel Will wiederzusehen. Hätte er auf diesem Erdenwinkel einen Cursus des Tanz-und Anstandsunterrichts eröffnen können, er wäre am Ziele seiner Wünsche gewesen, wenn sich nur ein einziger Schüler gefunden hätte!
    Wenn aber der Professor an keine nahe, drohende Gefahr dachte, die im Stande gewesen wäre, die Sicherheit auf der Insel, welche weder wilde Thiere, noch Eingeborne besaß, fraglich erscheinen zu lassen, so unterlag er doch einer argen Täuschung. Eben diesen Tag sollte sein Optimismus auf eine harte Probe gestellt werden.
    Gegen vier Uhr Nachmittags war Tartelett seiner Gewohnheit gemäß ausgegangen, um Austern und Muscheln an dem hinter der Flaggenspitze gelegenen Strande zu holen, als Godfrey ihn im vollen Laufe nach dem Will-Tree zurückkommen sah. Seine wenigen Haare sträubten sich noch an den Schläfen empor. Er glich einem Menschen, welcher über Hals und Kopf flieht, ohne nur einen Blick nach rückwärts zu wagen.
    »Was ist denn los? fragte Godfrey betroffen, während er seinem Gefährten entgegenging.
    – Da… Da…! antwortete Tartelett, der mit dem Finger nach jener Gegend des Meeres wies, die man als schmales Segment im Norden zwischen den großen Bäumen um den Will-Tree hervorschimmern sah.
    – Aber was in aller Welt giebt es denn? fragte Godfrey, dessen erste Bewegung es war, nach dem Rande der Mammuthgruppe zu laufen.
    – Ein Canot!
    – Ein Canot?
    – Ja,… Wilde… Eine große Flottille mit Wilden!… Vielleicht gar Cannibalen!…«
    Godfrey hatte nach der bezeichneten Richtung hinausgeblickt.
    Es handelte sich zwar um keine Flottille, wie der athemlose, zum Tode erschrockene Tartelett sagte, aber er täuschte sich eigentlich nur in der Quantität.
    In der That bewegte sich ein kleineres Fahrzeug, welches über das jetzt ganz ruhige Meer glitt, in der Entfernung von einer halben Meile auf die Flaggenspitze zu, die es umsegeln zu wollen schien.
    »Und warum sollten das Cannibalen sein? sagte Godfrey, sich nach dem Professor umdrehend.
    – Nun weil auf allen Robinson-Inseln früher oder später einmal Menschenfresser landen, erklärte Tartelett.
    – Ist jenes nicht vielleicht das Boot eines Kauffahrteischiffes?
    – Eines friedlichen Handelsschiffes?
    – Ja… das eines Dampfers, der gestern Nachmittag in Sicht unserer Insel vorüberkam?
    – Und davon haben Sie mir nichts gesagt! rief Tartelett, die Hände verzweifelnd zum Himmel erhebend.
    – Wozu hätte es dienen sollen, erwiderte Godfrey, da ich glauben mußte, das Schiff sei endgiltig verschwunden? Wir werden gleich sehen, woran wir sind!…«
    Godfrey eilte nach dem Will-Tree zurück, ergriff das Fernrohr und nahm am Saume der Bäume Stellung.
    Von hier konnte er genau das Boot beobachten, auf dem man nothwendiger Weise die Flagge auf dem Uferberge bemerkt haben mußte, da diese in einer leichten Brise flatterte.
    Das Fernrohr fiel Godfrey fast aus den Händen.
    »Wilde!… Ja, das sind wahrhaftig Wilde!« rief er.
    Tartelett fühlte seine Beine schlottern und ein schreckliches Zittern lief durch seinen ganzen Körper.
    Es war in der That ein Boot mit Wilden, welches Godfrey auf die Insel zukommen sah. Construirt wie ein Pirogue der polynesischen Inseln, trug es ein großes Segel aus Bambus, ein von Backbord ausgesteckter Balancier sicherte ihm das Gleichgewicht, während es der Wind ohne diesen gewiß stark geneigt hätte.
    Godfrey unterschied ganz genau die Form des Fahrzeuges; es war ein sogenannter Prao, was darauf hinzudeuten schien, daß die Insel Phina nicht weit von den Malaienländern entfernt liegen konnte. Dennoch waren es keine Malaien, welche in dem Boote saßen, sondern halbnackte Neger, deren man etwa ein Dutzend zählen konnte.
    Die Gefahr, bemerkt zu werden, lag selbstverständlich ziemlich nahe. Godfrey bedauerte jetzt, die Flagge aufgezogen zu haben, welche zwar von jenem Schiff unbeachtet gelassen, von den Eingebornen im Prao aber gewiß gesehen wurde. Sie jetzt noch herabzulassen, war offenbar zu spät.
    Gewiß ein recht bedauerlicher Umstand! Wenn die Wilden, wie der Augenschein lehrte, eine der benachbarten Inseln verlassen hatten, um an dieser hier zu landen, so hielten sie dieselbe gewiß für unbewohnt, was sie bis zum Schiffbruch des »Dream« ja in der That gewesen war. Jetzt flatterte hier die Flagge, welche die Anwesenheit menschlicher Wesen an dieser Küste verrieth. Wie sollten sie jenen nun entgehen, wenn die Bootsinsassen wirklich an’s Land

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