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Die Schule der Spielleute

Die Schule der Spielleute

Titel: Die Schule der Spielleute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bonn
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und leise öffnete sich die Stalltür. Ein menschlicher Schatten schlich sich an das Tier heran, das ihm den Rücken zuwandte. Er tastete mit der rechten Hand nach dem Halsband des Bären. Der brummte schläfrig und schlug mit dem Kopf. Der Schatten zuckte zurück, doch der Bär regte sich nicht mehr. Da griff er wieder zu, Metall klickte leise auf Metall. Noch immer lag der Bär friedlich im Schlaf.
    Der Schatten zog sich lautlos zur Tür zurück. Dort nahm er ein Werkzeug aus dem Gürtel, hob es auf Augenhöhe und zielte auf die dunkle Masse im Stroh. Ein Stein flog aus der Schleuder, gleich darauf brummte der Bär und kam auf die Beine. Er witterte und lief in Richtung Tür.
    Der Schatten eilte rückwärts davon und schoss ein zweites Mal. Der Bär brummte wieder und verfolgte ihn. Doch im Hof traf ihn ein anderes Geschoss. Er stellte sich auf die Hinterbeine, brüllte und schlug blindlings zu. Als er nichts erwischte, galoppierte er zum Tor, das weit offen stand.
    Aus dem Raum im Obergeschoss kam Lene gelaufen, nackt, wie sie zu Bett gegangen war. Gleich hinter ihr folgte ihr Mann mit ebenso wenig Stoff am Leib.
    ťMackóŤ, rief er und versuchte, an Lene vorbeizukommen.
    Die beiden hatten gerade die offene Stalltür erreicht – Tamas fluchte auf Ungarisch – da kam das nächste Paar im Hemd die Treppe herunter. Alheit und Franz trugen Laternen.
    ťDer Bär ist wegŤ, sagte Lene atemlos. ťJemand hat die Tür aufgemacht.Ť
    ťWer hat denn den Schlüssel?Ť, fragte Alheit gleich dagegen.
    ťDer Ungar.Ť
    ťSonst niemand?Ť
    Lene schüttelte den Kopf.
    Alheit hob ihre Laterne zum Riegel an der Stalltür und dem Schloss, das ihn sichern sollte. ťEs ist noch ganz. Jemand hat aufgeschlossen.Ť
    Franz war mit Tamas in den Stall gegangen. Vor lauter Aufregung konnte der Ungar nur seine Muttersprache sprechen. Gestikulierend redete er auf die Wände ein und hob vorwurfsvoll das leere Ende der Kette hoch.
    ťKomm, zieh dir erst etwas anŤ, mahnte Franz. ťSo kannst du ihn nicht suchen.Ť Er fasste den Fidler an der Schulter und schob ihn zur Stalltür.
    Doch der bückte sich und begann im Stroh zu wühlen. Franz zog ihn wieder hoch. ťNicht, lass alles liegen. Wir sehen genau nach, wenn es hell ist.Ť
    Jetzt gab Tamas nach. Als er das offene Hoftor sah, ließ er sich überzeugen, dass er besser bekleidet hinter dem Flüchtigen herlaufen sollte.
     
    Dolf der Fischerbursche traute seinen Augen kaum. Das zottige braune Tier, das die Straße herunter auf ihn zu trottete, war kein großer Hund, auch kein unförmiges Maultier, sondern ein wirklicher und wahrhaftiger Bär.
    ťHeiliger Korbinian, steh uns bei!Ť Er schlug das Kreuz und rannte ins Haus. ťMeister! Meister! Ein Bär! Draußen auf der Straße!Ť
    Der Meister jedoch hob nur einmal kurz den Kopf von der Waschschüssel. ťIch habe genug von deinen Ausreden, Dolf! An welchen Straßenköter hast du den Fisch verfüttert?Ť
    Wütend trat Dolf gegen den Tisch, auf dem die Schüssel stand. Der Meister schlug ihm kurzerhand den nassen Lappen um die Ohren.
    ťWas ist denn hier wieder los?Ť Die Meisterin kam aus der Küche gelaufen.
    Draußen auf der Straße schrie ein Kind.
    ťNickel!Ť Dolf stürmte wieder hinaus.
    ťHast du ihn wieder allein hinauslaufen lassen?Ť, fragte der Fischer ungehalten seine Frau.
    ťDie Anna ist bei ihm, und in der Küche kann ich ihn nicht brauchen.Ť Die Fischerin kehrte dorthin zurück.
    Das Geschrei auf der Straße hatte sich inzwischen um eine Frauenstimme vermehrt. Nun fand es der Fischer doch angezeigt, einmal nachzuschauen.
    An der Tür zur allgemeinen Räucherkammer draußen auf dem Platz stand ein zottiges braunes Wesen und hieb auf das Holz ein. Es würde nicht mehr lange standhalten. Die Magd mit dem kleinen Nickel auf dem Arm wagte es nicht, an dem Vieh vorbei ins Haus zu flüchten.
    Auf der anderen Seite hüpfte Dolf herum, schrie ťHe, Bär, ho!Ť und warf Steine nach ihm, doch das Tier ließ sich nicht ablenken.
    ťPass auf, dass er mir nicht an die Aale geht!Ť, rief der Meister dem Knecht zu, aber Dolf schien ihn gar nicht zu hören.
    Nachbarn, deren Ware ebenfalls in der Kammer hing, liefen herbei und stimmten in das Wehgeschrei des Fischers ein.
    Der Bär hatte indessen sein Ziel erreicht. Die Tür splitterte unter seinen Pranken, als er den ersten Spalt so lange erweiterte, bis sein Kopf hineinpasste.
    ťJetzt lauf, Anna!Ť, schrie Dolf.
    Die Magd warf noch einen zweifelnden Blick auf das langhaarige Hinterteil und rannte

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