Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
von sich gebend in der griechischen Küche zu sitzen, statt Gedanken auszutauschen und zu verraten, was eigentlich in seinem Kopf so vor sich ging – eine Unzugänglichkeit, die er während seiner Jahre als Kriminalhauptkommissar oft unter Beweis gestellt hatte und die Münster wiedererkannte und wie ein altes Muttermal identifizieren konnte. Oder wie ein Hühnerauge.
Aber so war es nun einmal: Der Kommissar kannte das von früher, wie gesagt. Und offensichtlich war es jetzt endlich an der Zeit, das Geheimnis zu lüften. Lieber spät als nie. Münster trank einen Schluck Wasser und wartete ab.
»Die Beweislage ist gelinde gesagt miserabel«, stellte Van Veeteren einleitend fest. »Oder?«
»Einig«, sagte Münster. »Trotzdem ist es doch eine Schande, dass uns der Staatsanwalt die Hausdurchsuchung nicht gestattet hat.«
»Schande ist das richtige Wort«, stimmte Van Veeteren zu. »Aber es ist doch klar, was dahinter steckt.«
»Ist der Staatsanwalt auch Mitglied bei den Sukkulentenbrüdern?«
»Natürlich. Wenn er eine Chance kriegt, uns zu boykottieren, dann nutzt er die natürlich. Vergiss nicht, dass ihre Devise ›Singuli mortales, cuncti perpetui!‹ lautet.«
»Und was bedeutet das?«
»Einsam bist du sterblich, gemeinsam bist du ewig!«
»Ich wusste gar nicht, dass du Latein kannst.«
»Ich habe es nachgeschlagen«, erklärte Van Veeteren. »Ich arbeite ab und zu im Buchhandel, wie du vielleicht weißt, da ist das nicht so schwer. Laut Reinhart wird Ferrati sowieso ausgewechselt, dieses Detail löst sich also in ein paar Tagen.«
»Vermutlich«, sagte Münster und wandte sein Gesicht wieder der Sonne zu.
Ich zweifle ja daran, dachte er. Weiß er wirklich, was er tut?
»Wenn deFraan etwas bessere Nerven gehabt hätte«, fuhr Van Veeteren fort, »dann hätte er sich einfach nur ruhig verhalten, statt voller Panik abzuhauen. Er muss die Lage durchschaut haben, er ist ja kein Dummkopf. Was glaubst du, worauf das hindeutet?«
»Dass er abgehauen ist?«
»Ja.«
Münster dachte schnell nach.
»Dass er der Sache müde ist?«
»Genau«, sagte Van Veeteren und schob den Strohhut zurecht. »Zu dem Schluss komme ich auch. Er weiß, dass wir wissen, und sein Wahnsinn liegt nicht länger unter Verschluss. Jedenfalls nicht vollkommen, und das wird seinen Untergang bedeuten. Er kann nicht mehr, ich vermute, dass er vollkommen fertig ist… was mich eigentlich wundert.«
»Der Fingerabdruck im Blake ist ja ziemlich gravierend«, wies Münster hin. »Natürlich nicht entscheidend, aber er beweist doch, dass deFraan eine Verbindung zur Familie Kammerle hatte.«
Van Veeteren nickte. Saß eine Weile schweigend da und schielte auf das Glas mit Zitronenwasser, das er in der Hand hielt.
»Sicher. Aber ein guter Anwalt würde zehn unschuldige Erklärungen in ebenso vielen Minuten aus dem Jackenärmel schütteln. Das Gleiche gilt für diese verfluchte Nadel… alle Spuren, die zu deFraan führen, sind so dünn, dass sie einer Gerichtsverhandlung kaum standhalten würden, das ist das Problem. Aber ich würde wirklich einiges darum geben, ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten zu können… ich hoffe, das wird sich machen lassen.«
»Warum?«, fragte Münster vorsichtig. »Warum willst du ihn treffen?«
»Menschliches Interesse«, sagte Van Veeteren und zündete sich eine Zigarette an.
»Oder vielleicht unmenschliches?«, schlug Münster vor.
»Schon möglich, ja. Ich will wissen, wie er beschaffen ist und was hinter all dem steckt. Es ist so verdammt unangenehm, wenn eine starke Intelligenz einem ebenso starken Wahnsinn so lange Zeit gewachsen ist. Er muss ja gefühlsmäßig eine Bestie sein, ich kann es einfach nicht anders sehen. Aber auch eine Bestie ist aus Fleisch, Blut und Nerven… das habe ich mir jedenfalls immer eingebildet.«
Münster setzte seine neu erstandene Sonnenbrille auf und öffnete einige Knöpfe seines Hemds.
»Niemand scheint ihn näher gekannt zu haben?«
»Vermutlich kein Mensch. Wenn dieser Dozent Parnak jahrelang mit ihm Kontakt hatte und nicht mehr bieten konnte, ja, wer soll dann seine Person näher erhellen können?«
»Seine Frau? Sie hätte es wohl tun können…«
»Und zu ihr sind wir ja auch auf dem Weg«, konstatierte Van Veeteren. »Schade, dass wir nicht mit ihrer Schwester haben sprechen können, vielleicht hätten wir dort wenigstens eine Art Zugang bekommen?«
Münster nickte. Sie hatten Professor deFraans frühere Schwägerin, eine gewisse Laura Fenner,
Weitere Kostenlose Bücher