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Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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betrachtete sie. Konnte auch an diesem sonderbaren Morgen nicht begreifen, welche wohlmeinende höhere Macht es gewesen war, die sie hatte seine Wege kreuzen lassen. Oder ihn ihre. Wenn es etwas gab, wofür er dem Gott, an den er nicht glaubte, zu Dank verpflichtet war, so war es Ulrike Fremdli. Daran bestand kein Zweifel.
    Der nicht nur ihre Wege sich hatte kreuzen lassen, sondern Ulrike auch noch hierher geführt hatte. Und sogar dazu gebracht, Tisch und Bett und das Leben mit ihm zu teilen. Mit nichts, das wusste er ganz sicher, mit nichts, was ihm während seiner Irrfahrten auf der Erde gelungen war, hatte er sie sich verdient, aber langsam hatte er dennoch die Tatsache akzeptiert – und ebenso langsam eine Art Demut gelernt, die während seiner Tagesgeschäfte zwar nicht immer an die Oberfläche gelangte, aber die es doch gab, ganz tief in ihm verwurzelt, wie ein… wie ein langsam wachsendes Geschwulst der Dankbarkeit und des Seelenfriedens.
    Oder wie zum Teufel sollte man einen Morgen wie diesen hier beschreiben? In dunklen Stunden – wenn er wieder seiner alten Schwäche verfiel, das Leben als eine Gleichung anzusehen und sonst nichts – konnte es vorkommen, dass er Ulrike als eine Art Ersatz für Erich ansah, für seinen Sohn, der vor zwei Jahren beerdigt worden war und der eine Wunde hinterlassen hatte, die Van Veeterens ganzes Leben lang bluten würde.
    Aber derartige austarierte Gleichgewichtsrechnungen stimmten nicht. Ein toter Sohn konnte nicht ersetzt werden, das wusste er jetzt… er hatte das natürlich immer schon gewusst… genauso wenig, wie gute Taten, welche auch immer, auf irgendeine Weise die bösen aufwiegen konnten. Schopenhauer war nicht zufällig in seiner Jugend eine Zeit lang sein Hausgott gewesen, und mehr als dreißig Jahre im Polizeidienst hatten diese grundlegend pessimistische Maxime des Willens kaum widerlegen können. Ganz im Gegenteil.
    Und das Gute, so dachte er in späteren Jahren, das Gute hatte ja wohl auch ein Recht auf eine gewisse Würdigung. Darauf, nicht nur als das übliche Pfand anerkannt zu werden, wenn es beim Feilschen mit dem Bösen um Territorium ging. Mit den finsteren Mächten. Wie sollte man sonst dem Lachen eines Kindes oder dem Blick einer liebevollen Frau den rechten Wert beimessen?
    Wenn es abgewogen und verglichen werden muss. Austariert.
    Er schloss leise die Schlafzimmertür und ging in die Küche. Setzte Teewasser auf und ließ sich mit dem gesammelten Zeitungsstapel am Tisch nieder. Die Allgemejne der letzten zwanzig Tage.
    Warum sich nicht jetzt damit beschäftigen, dachte er. Das konnte ihn ein wenig auf andere Ideen bringen, bis die Müdigkeit sich wieder einstellte, wenn es sonst auch nichts bringen würde. Er schob den Stapel zurecht und begann chronologisch von hinten. Um elf Minuten vor sechs. Es kratzte an der Tür, aber er würde den Teufel tun und sich jetzt schon mit dem Katzenvieh versöhnen.
    Eine Stunde und drei Teetassen später hatte der Schlafmangel ihn wieder eingeholt. Außerdem hatte er klein beigegeben und Strawinsky hereingelassen – der Kater hatte vorwurfsvoll gejammert und war dann wieder aufs Fensterbrett gesprungen, wahrscheinlich in frommer Erwartung der nächsten Delikatesse an diesem sonderbaren Tag, an dem einem die gebratenen Tauben offenbar einfach so ins Maul flogen.
    Vielleicht hat er ja aber auch einfach alles schon vergessen, überlegte Van Veeteren. Das Gedächtnis von Katzen ist kurz. Beneidenswert kurz. Was er mit dem Vogel – oder den Resten des Vogels – gemacht hatte, schien in den Sternen geschrieben zu stehen.
    Die Zeitungen boten keine Überraschung. Er las schließlich höchstens ein oder zwei Artikel, blätterte aber pflichtbewusst alles durch und warf auf jede Seite einen kurzen Blick. Die Schachspalten schnitt er aus und legte sie aufeinander, und nachdem er die fünfzehnte Allgemejne durchgesehen hatte, spürte er, dass dieses Gefühl von Kies hinter den Augen sich nicht länger bekämpfen ließ. Wozu es eigentlich ja auch keinen Grund gab. Er klappte die Zeitung zusammen, legte sie oben auf den Stapel der bereits durchgesehenen Druckerzeugnisse und warf einen Blick auf die Titelseite derjenigen, die ganz oben auf dem Stapel der noch ungelesenen lag.
    Worauf sein Herz für einen Schlag aussetzte.
    Der Pfarrer starrte ihn an.
    Starrte.
Man konnte es kaum anders ausdrücken. Die leicht auseinanderstehenden Augen unter dem langen, zur Seite gekämmten Pony. Etwas Vorwurfsvolles und gleichzeitig

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