Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
lasse?«
»Bitte, ruf ihn zurück!«, wimmert er. »Ich kann nicht mehr!«
Aber ich sehe in aller Ruhe zu, wie der Drache seinem Gesicht gefährlich nahe kommt. Horacio kann seinen Atem auf der Haut spüren und steht da wie gelähmt. Seine Augen treten beinahe aus den Höhlen. Er versucht, den Drachen mit den Händen zu verscheuchen, traut sich aber nicht, ihn anzufassen.
»Ich mach alles, was du willst!«, schluchzt er. »Sag mir, was ich tun soll!«
»Du sollst nichts tun, du sollst nur aufhören, meinen Vater zu beleidigen und ihn auch ansonsten zufriedenlassen.«
»Ich werde ihn nie mehr beleidigen, wirklich!«
Der Drache streift seine Hände und ich hoffe, dass Horacio die drohende Gefahr spürt. Ich finde, er muss lernen, dass sein Verhalten fies ist und er seine Überlegenheit nicht ausnutzen darf, um Schwächere zu schikanieren,
»Also gut, Horacio. Heute lass ich dich noch mal mit einem blauen Auge davonkommen. Der Drache wird dich nicht angreifen und du gehst wie jeden Tag brav nach Hause. Aber ich warne dich! Wenn du noch mal jemanden beleidigst oder schlecht machst oder irgendwas in dieser Richtung – dann kannst du dich auf was gefasst machen, das garantiere ich dir! Kapiert?«
»Ja doch, ja doch! Ich werde nie mehr fies zu irgendwem sein.«
»Das will ich dir auch geraten haben! Denk immer an den Drachen, der dich gerade anfaucht, und vergiss nicht, dass er dich pausenlos beobachtet und nur darauf wartet, dass du dir einen Fehltritt leistest und er zubeißen darf … Und nenn mich nie wieder Drachenkopf!«
»Das werde ich nie wieder tun!«
»Ich will, dass du mich von jetzt an Drachenritter nennst.«
»Ich werde dich nennen, wie du willst.«
»Drachenritter! Sag: Arturo ist der Drachenritter!«
»Arturo ist der Drachenritter.«
»Halte dich an diese Regeln und du hast nichts zu befürchten. Und jetzt verschwinde! Es ist besser, du erzählst niemandem, was hier passiert ist – und wenn du es trotzdem tust, dann sag wenigstens die Wahrheit. Obwohl, warte: Ich will, dass du jedem erzählst, was hier passiert ist!«
»Das glaubt mir doch keiner!«
»Eben. Die Wahrheit ist nämlich so leicht zu glauben wie Lügen. Los, hau ab! Und vergiss nicht, was du gesehen hast!«
Er hebt seinen Rucksack auf und macht sich aus dem Staub. Der Drache folgt ihm ein paar Meter, dann lässt er von ihm ab und kehrt auf meine Stirn zurück. Horacio rennt, so schnell er kann. Ich ziehe meine Jacke wieder an und gehe langsam die Treppe hinauf. Das strahlende Sonnenlicht blendet mich.
* * *
Langsam beruhige ich mich. Die Sache mit Horacio hat mich ziemlich aufgewühlt, aber jetzt ist es vorbei – ich denke, von nun an wird er mich in Ruhe lassen.
Ich rufe Hinkebein an, um ihm zu sagen, dass ich die Fotos gleich abholen werde. Doch er möchte mit einem Treffen noch eine Weile warten. Er erzählt mir, dass vergangene Nacht ein paar Typen bei ihm eingedrungen sind, ihn verprügelt und versucht haben, Feuer zu legen. Er habe Angst, sagt er, und spiele mit dem Gedanken, sich zu verstecken.
»Die Situation hat sich verschärft«, erklärt er. »Die Ereignisse überschlagen sich, seit die Typen, die bei euch eingebrochen sind, im Knast sitzen. Einige Firmen machen sich Sorgen um ihre Geschäfte und glauben, alles sei meine Schuld.«
»Was hast du vor?«, frage ich. »Willst du die Stadt verlassen?«
»Kommt gar nicht in Frage! Ich habe einen Vertrag mit dir und den werde ich erfüllen. Außerdem ist da die Stiftung. Es interessiert mich brennend, wie es mit ihr weitergeht. Das will ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen! Unsereins hat die Archäologie im Blut, mein Junge, die lässt einen nicht einfach so los … Nein, ich suche mir ein sichereres Versteck und rufe dich dann an.«
»In Ordnung. Sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst. Wir sehen uns!«
Ich gehe zu dem Geschäft, das die Luftaufnahmen macht. Metáfora und Cristóbal warten schon ungeduldig auf mich.
»Arturo, mein Vater hat angerufen, er würde gerne mit dir sprechen«, sagt Cristóbal. »Ruf ihn doch heute Abend zu Hause an, wenn du kannst …«
»Danke, das mache ich. Aber jetzt holen wir erst mal die Fotos ab.«
* * *
Sobald ich alleine in meinem Zimmer bin, wähle ich Cristóbals Nummer, weil ich neugierig bin, was sein Vater mit mir besprechen möchte.
»Cristóbal? … Hallo! Ich bin’s, Arturo … Kann ich mal mit deinem Vater sprechen?«
»Moment, ich hole ihn.«
Während ich warte, blättere ich in einem Comic, den ich mir
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