Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
mit, Junge.«
Mühsam richtet er sich auf und schleppt sich mit mir zum hinteren Teil des Gebäudes.
»Sieh dir das an! Hier!«
Vor Wut bleibt mir fast das Herz stehen. Die ganze Hauswand ist voller Graffiti! Drohungen gegen uns! Gegen meinen Vater!
»Aber … Wer macht so was?«
»Das weiß ich nicht genau, aber es ist schlimm. Hab ich dir doch gesagt. Die Geier greifen nachts an, in der Dunkelheit. Ihr müsst euch in Acht nehmen oder sie machen euch fertig.«
»Unglaublich! Aber was wollen die von uns?«
»Wer weiß das schon? Geld, euch einschüchtern …«
»Uns einschüchtern?«
»Sie wollen zeigen, dass sie vor nichts und niemandem Angst haben. Als wollten sie ihr Revier markieren, wie die Tiere.«
In diesem Augenblick öffnet sich die Garagentür und Sombra und Mohamed kommen auf uns zu. Sie sehen ziemlich böse aus.
»Was machst du denn noch hier, Arturo? Um diese Zeit solltest du doch schon längst in der Schule sein«, sagt Sombra.
»Wir haben … Ich hab mir das da angesehen …«
»Das hat dich nicht zu interessieren. Los, hau ab, ich kümmere mich darum. Hab schon die Reinigungsfirma angerufen, sie sind unterwegs und werden das gleich entfernen.«
»Ich passe auf, bis sie kommen«, bietet Mohamed an. »Ich kann ihnen beim Saubermachen helfen.«
»Da werden sie ganz schön zu tun haben, bei der Menge Farbe«, sagt Hinkebein. »Eine Sauerei ist das!«
Sombra sieht ihn an, sagt aber nichts. Ich weiß, dass er ihn kennt, doch er ignoriert ihn einfach. So ist er immer, wenn er sich geärgert hat.
»Ich verzieh mich dann besser mal«, sagt Hinkebein. »Geht mich ja im Grunde auch nichts an.«
»Ich bin dann auch weg. Adiós.«
Ich nicke ihnen zu und laufe los. In meinem Kopf dreht sich alles. Es ist, als hätte sich plötzlich alles gegen uns verschworen. Ein Unglück kommt selten allein, heißt es. Muss wohl stimmen.
* * *
Ich komme zu spät zur Schule. Das Tor ist schon geschlossen. Zum Glück ist Mercurio da. Als er mich sieht, kommt er schnell und macht mir auf.
»Was ist passiert, Arturo? Heute bist du aber besonders spät dran.«
»Na ja … Wir haben Probleme zu Hause. Ein überraschender Besuch … sehr kompliziert. Tut mir leid.«
»Los, beeil dich.«
Ich laufe die Treppe hinauf in den ersten Stock, klopfe zweimal an und trete ohne Aufforderung ein.
»Es tut mir leid, Señorita, aber zu Hause hat es Probleme gegeben«, entschuldige ich mich.
Sie will mir gerade antworten, da fängt die ganze Klasse an zu lachen.
»Habt ihr heute Nacht gezaubert und du hast verschlafen?«, albert Horacio.
Die Lehrerin wirft ihm einen zornigen Blick zu und er schweigt. Inzwischen weiß er, dass sie so etwas nicht duldet.
»Was ist passiert? Ist es schlimm?«
»Ich fürchte, ja«, sage ich leise. »Entschuldigen Sie.«
»Schon gut, setz dich hin.«
Metáfora sieht mich mitfühlend an. Ich tue ihr leid. Ich sehe bestimmt grausig aus.
»Wie geht’s dir?«, fragt sie, kaum dass ich mich gesetzt habe.
»Nicht besonders.«
»Was ist passiert? Du siehst aus, als kämst du gerade aus dem Krieg.«
»Es gibt Probleme in der Stiftung … Aber das interessiert dich sicher nicht.«
»Klar interessiert mich das, schließlich sind wir Schulfreunde.«
»Schulfreunde?«
»Ja, wir sind Schulfreunde. Wir sitzen zusammen.«
»Okay, entschuldige.«
Wir hören auf zu reden, um der Lehrerin zuzuhören. Gerade erzählt sie etwas sehr Interessantes über die Schrift.
»Eigentlich sind Buchstaben nichts weiter als Zeichen«, sagt sie. »Und wir lernen, diese Zeichen zu entschlüsseln. So wie einige Wissenschaftler entdeckt haben, dass man Tieren bestimmte Dinge beibringen kann, haben wir gelernt zu lesen.«
»Das heißt also, wir lesen nicht, sondern entschlüsseln?«, fragt Esther.
»Ja, genau das bedeutet Lesen: Zeichen entschlüsseln. Und wir besitzen die Fähigkeit, Wörter zu bilden, indem wir diese Zeichen miteinander kombinieren. Außerdem hilft es uns, richtig zu denken.«
Die erste Stunde ist noch nicht vergangen, als es in der Klasse auf einmal unruhig wird. Unerwartet stehen einige meiner Mitschüler auf und sehen aus dem Fenster. Sie fangen an zu kichern, gucken zu mir herüber und lachen. Von Neugier gepackt, stehe auch ich auf und gehe zu einem der Fenster. Und ich kann nicht glauben, was ich da sehe! Mein Vater kommt auf seinem Rad angefahren. Mercurio hält ihm das Tor auf und sie begrüßen sich. Er kommt rein! Er kommt in die Klasse!
Metáfora versteht gar nichts.
»Wer ist
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