Die Schwarze Armee 03 - Das Reich des Lichts
wollte meinen Großvater besuchen … Ich möchte ihn gern kennenlernen und ein wenig mit ihm sprechen … Ich habe ihn noch nie gesehen.“
„Weiß dein Vater, dass du hier bist?“, fragt sie. „Hat er es dir erlaubt?“
„Natürlich weiß er das!“, versichere ich. „Er hat gewartet, bis ich fünfzehn geworden bin, um mich zu ihm zu lassen. Sozusagen mein Geburtstagsgeschenk.“
„Ich muss dich darauf aufmerksam machen, dass dein Großvater sehr alt ist und ihm das Sprechen große Mühe bereitet. Er vergisst Dinge, die er erlebt hat, und erfindet andere Dinge, die es nie gegeben hat. Lass dich davon nicht verwirren. Und glaub nicht alles, was er sagt. Manchmal geht die Fantasie mit ihm durch.“
„Hat er Alzheimer?“, fragt Metáfora.
„Gehörst du auch zur Familie Adragón?“, fragt Señora Meyer. „Wie heißt du?“
„Ich heiße Metáfora Caballero und gehöre sozusagen zur Familie. Arturo und ich werden bald Halbgeschwister sein.“
„Mein Vater und ihre Mutter wollen heiraten“, erläutere ich.
„Was fehlt seinem Großvater?“, fragt Metáfora.
„Sagen wir, er hat den Verstand verloren“, antwortet die Heimleiterin sachlich. „Das fehlt ihm.“
„Und was genau heißt das?“, will ich wissen. „Wie drückt sich das aus?“
„Er weiß nicht, was er sagt, und neigt dazu, Geschichten zu erfinden.“
„Können wir gleich zu ihm?“, frage ich. „Wir haben nicht viel Zeit …“
„Warten wir, bis er zu Ende gefrühstückt hat“, sagt sie. „Außerdem müssen wir ihn auf den unerwarteten Besuch vorbereiten … Wir müssen behutsam vorgehen … Es wäre besser gewesen, wenn dein Vater uns benachrichtigt hätte.“
„Sie haben recht, entschuldigen Sie. Papa hatte keine Zeit dazu“, rechtfertige ich meinen Vater. „Ich wollte unbedingt sofort hierherkommen …“
Señora Meyer sieht mich an. Ein leichter Vorwurf liegt in ihrem Blick, aber sie sagt nichts.
Sie führt uns in einen Warteraum und bittet uns um etwas Geduld.
„Wartet hier“, sagt sie, „ich lasse euch holen, wenn wir so weit sind.“
Sie geht hinaus und schließt die Tür hinter sich. Das heißt, wir dürfen uns nicht von hier fortbewegen, bevor man uns nicht dazu auffordert.
„Ziemlich krass, die Frau, findest du nicht auch?“, bemerkt Metáfora.
„Kannst du wohl sagen.“
„Sah aus, als wäre sie nicht gerade erfreut über deinen Besuch.“
„Das glaube ich auch. Ich hatte dasselbe komische Gefühl wie du.“
„Verstehe ich nicht“, sagt Metáfora. „Aber wir werden noch herausfinden, warum.“
Eine halbe Stunde später öffnet sich die Tür.
„Señor Adragón empfängt euch in seinem Zimmer“, sagt Señora Meyer. Sie wird von einer Krankenpflegerin begleitet, die in ihrem weißen Anzug eher wie ein Marineoffizier aussieht. „Das ist besser so, er fühlt sich dort sicherer.“
„War das seine Idee, oder haben Sie das angeordnet?“, fragt Metáfora.
„Señorita Caballero! Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie nicht zur Familie von Don Arturo Adragón gehören. Also bin ich nicht verpflichtet, Ihre Fragen zu beantworten“, erwidert sie ziemlich giftig. „Folgen Sie bitte den Anweisungen der Krankenpflegerin.“
Wir fahren mit dem Aufzug in den dritten Stock und gehen dann einen endlos langen Korridor entlang.
„Hier zu leben, muss für alte Menschen, die schlecht gehen können. ziemlich schwer sein“, bemerkt Metáfora. „Bei so langen Korridoren …“
„Hier sind Menschen mit Gehbehinderungen untergebracht“, erwidert die Krankenpflegerin. „Señor Adragón verlässt so gut wie nie sein Zimmer.“
Ach! Das hat uns Señora Meyer verschwiegen!
„Ich nehme doch an, dass er ab und zu im Garten spazieren geht …?“, frage ich.
„Señor Adragón hat das Gebäude seit Jahren nicht mehr verlassen. Er verbringt fast die ganze Zeit in seinem Zimmer und verlässt es nur, wenn es unbedingt nötig ist.“
„Unbedingt nötig? Was heißt das?“, hakt Metáfora nach.
„Das entscheidet Señora Meyer“, lautet die Antwort. „Ich befolge nur Anordnungen.“
Am Ende des Korridors bleiben wir vor einer Tür stehen. Auf einem Messingschildchen steht der Name ‚Adragón‘.
„Also, hier wohnt die Person, die ihr besuchen wollt“, sagt die Krankenpflegerin. „Ihr habt eine Stunde Zeit.“
„Vielleicht brauchen wir etwas länger“, antworte ich. „Wir haben uns noch nie gesehen, und es gibt bestimmt viel zu erzählen.“
„Dein Großvater verträgt keine Aufregung.
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