Die schwarze Kathedrale
sahen, daß vor der Tür eines Hauses auf der anderen Straßenseite etwa ein Dutzend Leute versammelt waren. Einige von ihnen standen auf der Fahrbahn und hätten den Verkehr behindert, wenn irgendwelche Fahrzeuge vorbeigekommen wären. Es waren auch zwei Polizeibeamte dabei, von denen einer mit den Fingerknöcheln gegen die Tür trommelte.
»Was mag es da wohl geben?« fragte Slattery gedehnt.
In diesem Augenblick kam ein Mann mit einem Vorschlaghammer angerannt.
»Das wird ja immer seltsamer«, meinte Slattery und wandte sich an Austin: »Ist das nicht das Haus von dem komischen alten Kauz? Wie heißt er doch gleich?«
Austin schüttelte den Kopf, als habe er keine Ahnung, wovon sein Freund redete.
»Na, so was«, sagte Slattery. Dann beugte er sich in seinem Stuhl zu den Männern am anderen Fenster hinüber und fragte mit erhobener Stimme: »Wem gehört denn das Haus auf der anderen Straßenseite?«
»Dem alten Mr. Stonex, dem Bankier, Sir«, antwortete einer der Männer.
»Den habe ich gemeint«, sagte Slattery zu uns.
Natürlich! Es war die Straßenseite des Hauses, aus dem wir gerade erst gekommen waren. Ich hatte es nicht gleich erkannt, weil ich bisher immer nur die Rückseite gesehen hatte. Ich warf einen Blick zu Austin hinüber, der gerade einen Schluck aus seinem Glas nahm.
»Kaum vor einer Stunde waren wir noch dort!« rief ich aus.
»Wirklich? Na, so was! Haben Sie eine Ahnung, was da los sein könnte?«
»Nicht den leisesten Schimmer.«
Plötzlich hörten wir ein lautes Krachen. Ich sah, daß einer der Beamten versuchte, die Haustür mit dem Vorschlaghammer aufzubrechen. Der andere Uniformierte, der, wie ich feststellen konnte, ein Sergeant war, erteilte ihm dabei Anweisungen.
»Meinst du nicht, daß wir uns den Polizeibeamten zu erkennen geben sollten?« fragte ich Austin. »Vielleicht können wir ja irgendwie behilflich sein.«
Er schüttelte den Kopf, entweder um seinen Zweifel auszudrücken oder weil er gar keine Meinung zur Sache hatte. Doch Slattery warf ein: »Ich glaube, Sie sollten das wirklich tun. Es würde verdammt komisch aussehen, wenn Sie erst später damit herausrückten.«
Wir ließen unsere halbvollen Gläser einfach stehen, gingen hinaus auf die Straße und begaben uns zu der kleinen Menschenansammlung. Ich drängte mich durch die Zuschauer bis zu dem Sergeanten durch, der seinem Untergebenen zusah, wie er die Tür einzuschlagen versuchte. Ich erklärte ihm, daß Austin und ich erst vor einer Stunde in dem Haus gewesen seien, und er zeigte sich sehr interessiert. Ich wandte mich um, schob meine beiden Begleiter nach vorn und stellte sie vor. Der Sergeant nickte und sagte: »Mr. Fickling kenne ich natürlich. Und letzten Dienstag abend hatte ich auch die Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen, nicht wahr, Mr. Slattery?«
Slattery verbeugte sich tief und schenkte dem Beamten ein strahlendes Lächeln: »Die Ehre war ganz auf meiner Seite, Sergeant, obwohl der Anlaß weniger erfreulich war, als man es sich hätte wünschen können.«
»Es war im Hause des Domherrn Sheldrick«, erklärte mir der Beamte. »Dort gab es einen unangenehmen Zwischenfall, bei dem einige Miniaturen gestohlen wurden.«
»Davon habe ich schon gehört«, sagte ich zu Austin, der sich abwandte.
»Haben Ihre eindrucksvollen professionellen Bemühungen dazu geführt, daß sie wieder aufgetaucht sind, Sergeant?« fragte Slattery.
Der Polizist sah ihn kalt an. »Nein, leider nicht, Mr. Slattery. Obwohl ich einen scharfsinnigen Verdacht habe, was mit ihnen passiert sein könnte.«
»Scharfsinnigkeit ist genau das, was ich von Ihnen erwarten würde«, erwiderte Slattery mit seinem charmantesten Lächeln.
Die Unterhaltung wurde von den rhythmischen Schlägen des Vorschlaghammers untermalt.
»Wo ist Mr. Stonex?« fragte ich.
»Das eben ist die Frage, Sir«, antwortete der Sergeant.
Eine alte Frau, die die ganze Zeit neben ihm gestanden hatte, sprudelte los: »So was hab ich noch nie erlebt. Der Herr ist bei allem immer so pünktlich.«
»Das ist Mrs. Bubbosh«, erklärte der Sergeant. »Sie kommt jeden Tag zum Kochen und Saubermachen.«
»Und gerade eben bin ich wie gewöhnlich gekommen, um dem alten Herrn das Nachtessen zu kochen, aber er hat mir nicht aufgemacht, obwohl ich geklopft und geklopft habe, bis mir die Faust weh getan hat. Das ist mir noch nie passiert.«
»Um wieviel Uhr war das?« wollte der Sergeant wissen. »Ein paar Minuten vor sechs, wie immer. Darum hab ich mir gedacht, daß
Weitere Kostenlose Bücher