Die schwarze Kathedrale
abend.«
»Kennen Sie ihn schon lange?«
»Ich bin seit mehr als zwanzig Jahren mit Mr. Fickling befreundet.«
»Haben Sie ihn schon einmal hier besucht?«
»Nein.« Widerstrebend erklärte ich: »Am letzten Dienstag habe ich ihn zum ersten Mal seit zwanzig Jahren gesehen.«
»Hat er Ihnen etwas von irgendwelchen persönlichen Schwierigkeiten erzählt?«
»Mr. Fickling hat mir nichts über seine persönlichen Lebensumstände erzählt, was in irgendeinem Zusammenhang mit diesem tragischen Ereignis stehen könnte.«
Der Sergeant fuhr im gleichen Ton fort: »Und Slattery? Seit wann kennen Sie den?«
»Mr. Slattery bin ich etwa eine halbe Stunde, bevor ich Sie getroffen habe, zum ersten Mal in meinem Leben begegnet.« Es war seltsam, aber ich betrug mich wirklich wie ein unangenehmer Querulant. Mich beschlich dadurch selbst das Gefühl, als würde ich lügen. Und die Richtung, in die die Fragen des Sergeanten abzielten, gefiel mir zunehmend weniger.
»Und Sie haben ihn vorher noch nie gesehen oder getroffen?«
»Nein, nie.« Plötzlich fiel mir die Gestalt ein, die ich in der Nacht erblickt hatte. »Das heißt … Nein. Nie.«
»Sie scheinen zu zögern, Sir?«
»Nein, ich hatte noch nie etwas mit Mr. Slattery zu tun.«
»Hat Mr. Fickling von ihm geredet?«
»Nein. Das heißt, ich glaube nicht. Es könnte sein, daß er vom Organisten gesprochen hat, bevor ich wußte, daß er mit ihm befreundet ist.«
»Vom Organisten? Meinen Sie Mr. Slattery?«
Ich bejahte.
»Mr. Slattery ist der Hilfsorganist.«
»In diesem Fall glaube ich nicht, daß er von ihm gesprochen hat. Ich war der Meinung, Mr. Slattery sei der Organist.«
»Ein verständlicher Irrtum, Sir. Mr. Slattery hat jedoch die Aufgaben des Organisten nur übernommen, solange der alte Herr, der diesen Posten innehat, ernstlich erkrankt ist. Aber er hat kein festes Amt in der Kathedrale.«
»Ach, so ist das. Wenn ich es mir recht überlege, glaube ich, daß Mr. Fickling doch etwas davon gesagt hat. Und Mr. Slattery selbst hat es auch erwähnt.« Ich verstummte. Was war das doch für eine höchst ungewöhnliche Situation! Ich beantwortete die Fragen eines Fremden über das, was zwischen mir und einem alten Freund gesprochen worden war. Und das alles wegen des Menschen, der auf dem Fußboden auf der anderen Seite des Ganges lag. Die Erinnerung an das, was ich soeben gesehen hatte, überflutete mich, und ich legte den Kopf in die Hände. »Ich kann kaum glauben, daß jemand so etwas getan haben kann. Ich kann es nicht fassen, daß es solche Brutalität gibt.«
»Es ist wirklich schwer zu fassen, Sir. Es ist einer der schlimmsten Fälle, die ich je erlebt habe.«
»Hat er irgendwelche Verwandte? Gibt es jemanden, dem das nicht gleichgültig ist?«
»Ich weiß gar nicht, ob noch Verwandte von ihm leben.«
»Er muß doch Neffen und Nichten haben. Er hat von einem Bruder und einer Schwester geredet.«
»Ich könnte mir vorstellen, daß sich das in den nächsten Tagen herausstellen wird. Sein Vermögen ist beträchtlich – das wird ganz bestimmt alle Verwandten auf den Plan rufen. Darf ich Sie jetzt fragen, wie es dazu kam, daß Sie bei Mr. Stonex zum Tee eingeladen waren?«
Ich erzählte ihm, wie ich Mr. Stonex zufällig an der Hintertür seines Hauses kennengelernt hatte, als ich versucht hatte, die Inschrift zu entziffern, die sich vermutlich auf den Mord an dem Schatzmeister Burgoyne bezog.
»Noch ein Mord«, bemerkte der Sergeant trocken. »Das scheint ja das Thema Nummer eins der letzten Tage gewesen zu sein, Sir.«
»Mr. Stonex und ich hatten erst über die Burgoyne-Affäre gesprochen und kamen dann auf den Fall des Dekans Freeth. Und dann lud er mich ein, in zwei Tagen zum Tee zu kommen.«
Sergeant Adams ließ das Notizbuch sinken und sah mich an. »Das ist ziemlich ungewöhnlich, Sir, weil der alte Herr nämlich sehr zurückgezogen lebte.«
»Unser gemeinsames Interesse am Tod des Dekans Freeth bewog ihn wohl dazu, die Einladung auszusprechen. Er wollte mir eine andere Version dieses Vorfalls erzählen.«
»Dann wurde die Einladung zum Tee am Mittwoch ausgesprochen?«
Ich bejahte. »War Mr. Slattery über die Einladung an diesem Nachmittag informiert?«
»Soviel ich weiß, nicht. Woher hätte er es auch wissen sollen? Aber Mr. Fickling könnte ihm natürlich gesagt haben, daß wir zum Tee bei Mr. Stonex seien, als er mit ihm vereinbarte, uns nach dem Abendgottesdienst zu treffen.«
Der Sergeant machte sich umständlich Notizen, bis ich
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