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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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schüttelte den Kopf, um auszudrücken, daß auch er es nicht wisse.
    »Nun zum Verhalten des alten Herrn heute nachmittag. Hatten Sie den Eindruck, daß er nervös oder verängstigt war?«
    »Keineswegs«, sagte ich. »Er war sehr freundlich und gesprächig.«
    »Tatsächlich? Freundlich und gesprächig?« Er trug umständlich etwas in sein Notizbuch ein. »Würden Sie das auch sagen, Mr. Fickling?« Austin gab keine Antwort. »Fehlt Ihnen etwas, Mr. Fickling?«
    »Nein, mir fehlt nichts«, versicherte Austin schnell.
    Der Sergeant hielt inne und sah ihn an. »Ich fürchte, ich muß Sie bitten, einen Blick auf den alten Herrn zu werfen.«
    »Wozu denn das?« rief Austin aus. »Das ist allgemein so üblich, Sir«, entgegnete der Sergeant.
    »Die alte Frau kann ihn doch viel besser identifizieren als ich«, widersprach Austin. »Ich habe ihn nur ein paarmal gesehen.«
    »Trotzdem muß ich Sie darum bitten. Ich möchte, daß alles ordnungsgemäß erledigt wird.«
    In diesem Augenblick wurde Mrs. Bubbosh vom Arzt hereingeführt und behutsam in ihren Stuhl gesetzt. Sie drückte sich ein Taschentuch vors Gesicht. Der Sergeant fragte mit sanfter Stimme: »Mrs. Bubbosh, können Sie mir den Namen des Kellners sagen, der Mr. Stonex immer sein Abendessen gebracht hat?«
    Sie ließ das Taschentuch sinken und sah überrascht auf. »Wozu in aller Welt wollen Sie denn das wissen? Es ist Perkins. Der junge Eddy Perkins. Der Junge vom alten Tom Perkins.«
    Sergeant Adams warf seinem Kollegen einen Blick zu. »Du und Harry, ihr geht und holt ihn.« Der Beamte stand rasch auf, um das Haus zu verlassen.
    »Mr. Fickling, würden Sie jetzt bitte mit Dr. Carpenter gehen?«
    Austin stand unsicher auf. Der Doktor lächelte ihm ermutigend zu, und sie gingen zusammen nach draußen.
    »Ich möchte Sie bitten, so freundlich zu sein und hier zu warten, Sir«, sagte der Sergeant zu mir.
    »Schon gut«, antwortete ich.
    Er stand auf und folgte den beiden anderen. Mrs. Bubbosh und ich blieben in der Wohnküche. Zu meinem Erstaunen ließ der Sergeant mich über vierzig Minuten lang warten. Zuerst machten Mrs. Bubbosh und ich sporadische Versuche, miteinander zu reden, aber unsere Gesprächsthemen erschöpften sich bald. Wir wiederholten nur immer wieder: »Wer hätte jemals so etwas gedacht? Ja, wer hätte das gedacht?« Ich fragte mich, wo Austin wohl war und was er und Sergeant Adams so lange miteinander zu reden hatten. Der Wortwechsel zwischen dem Beamten und Slattery hatte mir viel zu denken gegeben, und zahlreiche seltsame Möglichkeiten gingen mir durch den Kopf.
    Endlich kam der Sergeant wieder herein und forderte mich auf: »Würden Sie bitte mit mir kommen, Sir?«
    Ich folgte ihm in die Eingangshalle. Als er die Tür schloß, faßte er mich beim Arm und sagte sanft: »Sie müssen darauf gefaßt sein, daß das, was Sie jetzt gleich zu sehen kriegen, Sie sehr erschüttern wird.« Damit öffnete er die Tür zum Studierzimmer und bedeutete mir einzutreten.
    Der Arzt kniete in der Mitte des kleinen Raumes, doch als ich hereinkam, erhob er sich und trat einen Schritt zurück. Das erste, was ich sah, war eine Axt, deren Schneide und Stiel dick mit Blut verschmiert waren. Der Tote lag so auf dem Boden, daß sein Gesicht abgewandt war. Ich ging um ihn herum, wobei ich versuchte, nicht in die Blutlachen und Spritzer zu treten, die den Fußboden bedeckten. Als ich den Toten von der anderen Seite ansah, fürchtete ich im ersten Moment, ich würde ohnmächtig werden. Seitdem habe ich versucht, diesen Anblick wieder zu vergessen. Deshalb möchte ich nur sagen, daß er ein brutaler Beweis für die Hinfälligkeit unserer sterblichen Hülle war.
    »Ist dies die Person, die Sie zuletzt um halb sechs in diesem Haus gesehen haben, Sir?« fragte der Sergeant.
    Ich nickte, weil ich meiner Stimme nicht traute. »Sind Sie sicher, Sir? Auch angesichts der Tatsache, daß …?« Er brach taktvoll mitten im Satz ab.
    »Die Kleidung«, stammelte ich, »ich kann mich an die Kleidung erinnern.«
    Der Sergeant nahm mich am Arm und führte mich in die Eingangshalle hinaus. Ich erwartete, daß wir in die Wohnküche zurückkehren würden, aber er geleitete mich den Gang entlang. »Hier hinein«, sagte er und schob mich ins Eßzimmer. Dann schloß er die Tür und stellte sich daneben.
    Als ich mich plötzlich allein mit ihm fand, kam mir eine Idee, die mich – wohl infolge des zerrütteten Zustands meiner Nerven – zum Lachen brachte. Sergeant Adams sah mich neugierig an

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