Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
Vom Netzwerk:
festzuhalten. Ich bin Ihnen überaus dankbar, daß Sie mir Ihre Zeit und Unterstützung zur Verfügung gestellt haben. Aber der Major ist jetzt unterwegs hierher, und ich bin mir sicher, daß er gerne ein paar Worte mit Ihnen wechseln würde. Deshalb wäre ich Ihnen mehr als dankbar, wenn Sie bis zu seiner Ankunft hierbleiben würden.«
    »Wo ist Mr. Fickling?«
    »Freundlicherweise wartet er im anderen Zimmer auf den Major, Sir.«
    Ich fand Austin mit bleichem Gesicht am Tisch sitzend. »Das ist ja eine fürchterliche Geschichte«, sagte ich.
    Er gab keine Antwort, sondern lehnte sich nur in seinem Stuhl zurück und starrte zur Decke.

Donnerstag nacht
     
    Wenig später hörte, ich auf der Straße einen Wagen vorfahren. Die Tür wurde aufgerissen, und zwei Männer stürmten herein. Der eine war ein Polizeibeamter in Uniform, der andere ein Mann mit militärischem Auftreten, etwa sechzig Jahre alt und stämmig, mit roter Gesichtsfarbe, leicht hervortretenden Augen und einem imposanten weißen Schnurrbart. Der Sergeant war aus der Eingangshalle in die Wohnküche gekommen, als er den Wagen gehört hatte.
    »Ach, Adams, da sind Sie ja!« rief der Neuankömmling mit dröhnender Stimme. Die beiden schüttelten sich die Hand, und der Sergeant flüsterte dem anderen etwas zu, worauf der große Mann sich umwandte, um uns zu mustern. »Ich bin Major Antrobus, der Polizeichef«, stellte er sich vor. »Es tut mir sehr leid, meine Herren, daß wir Ihnen solche Ungelegenheiten bereiten mußten. Aber darf ich Sie bitten, noch eine Weile zu bleiben?«
    Dazu erklärten Austin und ich uns bereit, und der Major eilte mit dem Sergeanten aus dem Zimmer. Ich zog meine Uhr aus der Tasche: halb neun. Ich war erstaunt, daß es schon so spät war, und dachte mir, daß ich eigentlich Hunger haben müßte, was aber nicht der Fall war.
    Während ich dies schreibe, steigt mir die Schamesröte ins Gesicht, aber ich kann es mir gestatten, absolut ehrlich zu sein, denn wenn jemand diesen Bericht liest, werde ich nicht mehr am Leben sein. Die schändliche Wahrheit ist, daß ich an das Manuskript denken mußte, während ich dort saß, und es kaum abwarten konnte, endlich wieder in die Bibliothek zu kommen. Der Gedanke, es heimlich zu entwenden, war verrückt von mir gewesen, und ich konnte kaum glauben, daß ich diese Möglichkeit auch nur einen Augenblick lang in Betracht gezogen hatte. Das Problem, dem ich mich nun gegenübersah, war, was ich Dr. Locard sagen sollte, wenn er mich fragte, wo und wie ich es entdeckt hatte, was er mit Sicherheit tun würde. Es wäre sehr peinlich, zugeben zu müssen, daß ich seinen Rat nicht befolgt hatte, und ich konnte ihm natürlich nicht sagen, daß Quitregard mich in die richtige Richtung gewiesen hatte, denn das würde diesen in Schwierigkeiten bringen.
    Austin starrte auf den Fußboden. Was er wohl denken mochte? Die Tatsache, daß wir noch kein Wort miteinander gewechselt hatten, begann peinlich zu werden. Schließlich brach ich das Schweigen. »Es ist kaum zu glauben, daß er gerade noch gelebt hat. Das ist eine schreckliche Warnung für uns alle. Mitten aus dem Leben …«
    »Halt den Mund, ja?« fauchte er.
    Offensichtlich waren die Ereignisse dieses Nachmittags für ihn ein ebenso großer Schock gewesen wie für mich. Nach zwanzig Minuten öffnete sich die Tür und der Major kam mit dem Sergeanten und Dr. Carpenter herein.
    »Das kann nicht stimmen«, sagte der Major. »Sie sagen doch selbst, daß Sie es nicht genau feststellen können.«
    »Nein, aber es sieht sehr wahrscheinlich aus«, antwortete der junge Arzt.
    »Wahrscheinlich? Es ist in höchstem Maße unwahrscheinlich. Um nicht zu sagen vollkommen unmöglich. Vor vier Stunden hat er in diesem Zimmer hier Tee eingeschenkt.« Er drehte dem Arzt den Rücken zu, als streiche er ihn aus seinem Bewußtsein, und wandte sich dann an Austin und mich. »Ich bedaure es zutiefst, meine Herren, daß Sie so lange aufgehalten wurden, und ich will Ihre Zeit jetzt nur noch so kurz wie möglich in Anspruch nehmen. Man hat mir gesagt, daß Sie seit halb sieben hier sind und daß Sie inzwischen aufgefordert wurden, den Toten anzusehen – einer der grauenhaftesten Anblicke, die ich in meiner langen Amtszeit gesehen habe – und daß Sie beide gründlich befragt wurden?«
    »Das ist richtig«, bestätigte ich. »Ich erachte es als meine Pflicht der Allgemeinheit gegenüber, nach besten Kräften zu helfen. Ihr Untergebener hat nur getan, was notwendig war.«
    »Wir

Weitere Kostenlose Bücher