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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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Testament gestorben? Ich hatte gehört …« Ich brach ab. Es fiel mir ein, daß ich besser daran tat, nicht zu erwähnen, daß Quitregard mir erzählt hatte, daß der Ermordete ein Testament zugunsten der Stiftung gemacht hatte.
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte Dr. Locard. »Dennoch ist kein Testament gefunden worden.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich glaube, daß Perkins nicht nur dafür bezahlt wurde, Mr. Stonex zu töten, sondern auch dafür, nach seinem Testament zu suchen.«
    »Dann ist es vermutlich vernichtet worden.«
    »Höchstwahrscheinlich. Aber es dürfte schwierig sein, das zu beweisen.« Ich überlegte noch, was er damit meinen könnte, als er fortfuhr: »Meine Hoffnung ist, daß Perkins alles gestehen wird, wenn sich aus der Untersuchung ergibt, daß er vor Gericht gestellt wird.«
    »Sind Sie sicher, daß das der Fall sein wird?«
    »Solange die Geschworenen nicht verwirrt werden.«
    »Der Fall hat mit Sicherheit verwirrende Aspekte.«
    »Aber es muß den Geschworenen unbedingt klargemacht werden, daß Perkins das Haus verwüstet hat, nachdem er den Mord begangen hatte.« Ich sah ihn überrascht an. »Soviel ich gehört habe, haben Sie den Beamten gegenüber erklärt, daß im Haus bereits große Unordnung herrschte, als Sie kamen.«
    »Das ist richtig.«
    »Genau diese Art von Aussage ist geeignet, die Geschworenen durcheinanderzubringen und auf eine falsche Fährte zu locken.«
    »Es ist ganz einfach. Mr. Stonex hatte seine Papiere durchwühlt, bevor Fickling und ich zu ihm kamen, weil er nach einem Dokument suchte, das er mir zeigen wollte.«
    »Ein Dokument?« fragte er schnell.
    »Ja, und zwar eines, das Sie interessieren wird. Es war ein weiterer Augenzeugenbericht über den Tod von Freeth …«
    »Es ging nicht um ein irgendwie amtliches Dokument?«
    »Nein, nein. Es war der Beweis, daß Freeth infolge eines Komplotts des Offiziers, der die Stadt im Auftrag des Parlaments besetzt hielt, getötet wurde.«
    »Wirklich? Das klingt höchst unwahrscheinlich.«
    Ich gab kurz die Geschichte wieder, die der alte Herr Austin und mir erzählt hatte.
    »Das ist kompletter Blödsinn«, erklärte Dr. Locard. »Diese Behauptung steht in krassem Widerspruch zu der zuverlässigsten Version, die innerhalb des Domkapitels überliefert ist. Sie wurde nie an Außenstehende weitergegeben, weil sie ein außerordentlich schlechtes Licht auf die Domherren wirft.« Er lächelte. »Ich will sie Ihnen dennoch verraten. Sie stammt von einem der Domherren, Cinnamon. Er sah, wie die Soldaten den Amtssitz des Schatzmeisters plünderten, und dann Freeth, der vom neuen Dekanat herübergelaufen kam und in das Gebäude hineinging. Cinnamon eilte selbst dorthin, und als er wenige Minuten später dort eintraf, war der Dekan in einen physischen Kampf mit einem anderen Domherrn verwickelt.«
    »Du lieber Gott! Mit wem denn?«
    »Mit Hollingrake, dem Bibliothekar.«
    »Das ist erstaunlich!« rief ich aus und dachte an Dr. Locards eigene Behauptung, daß die beiden bei der Fälschung der Schenkungsurkunde zusammengearbeitet hatten. »War er zu dieser Zeit nicht bereits Schatzmeister?«
    »Sie haben recht. Sie kennen die Geschichte des Domkapitels besser als ich. Freeth versuchte, eine Lampe umzuwerfen, um das Gebäude in Brand zu stecken.«
    »Freeth wollte das Gebäude anzünden? Das ist ja ungeheuerlich!«
    »Jetzt können Sie sich vorstellen, warum diese Geschichte geheimgehalten wurde. Es gelang ihm, einen Brand zu entfachen, und Cinnamon versuchte, ihn zu löschen. Hollingrake riß sich von Freeth los, und während Cinnamon den Dekan festhielt, lief er zu einer Kommode, schloß sie auf und entnahm ihr etwas, das wie ein Dokument aussah. Als Freeth das sah, stürzte er sich auf Hollingrake, und die beiden Männer kämpften um das Papier. Freeth schlug auf Hollingrake ein und schrie ihm Schimpfworte ins Gesicht. Dann aber mußten die Domherren aus dem Gebäude fliehen, weil es in Flammen stand. Draußen griffen die Soldaten ein und zogen Freeth von Hollingrake fort, aber er stürzte sich erneut auf ihn und trat nach ihm, während er am Boden lag, und dann schoß unglücklicherweise einer der Soldaten auf ihn.«
    Ich konnte mich nicht beherrschen und rief aus: »Es wundert mich, daß Sie die Geschichte von Mr. Stonex verwerfen und diese glauben!«
    »Ich glaube sie gerade deshalb, Dr. Courtine, weil sie so unwahrscheinlich klingt und so beschämend für das Domkapitel ist. Die Tatsache, daß man sie im Gedächtnis behalten

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