Die schwarze Kathedrale
Verwendung für die Chorschule der Kathedrale, die er selbst als Junge besucht hatte.
»Ist das Testament gefunden worden?«
»Nein.«
»Wer hat es aufbewahrt?«
»Der Verstorbene selbst. Er hatte es normalerweise in seinem Schließfach in der Bank, aber kürzlich erwähnte er, daß er noch einen Nachtrag hinzufügen wolle und hat es vermutlich mit nach Hause genommen, um in Ruhe darüber nachzudenken. Sowohl in der Bank als auch in seinem Haus wurde danach gesucht. Ich muß allerdings hinzufügen, daß mein verstorbener Klient die Angewohnheit hatte, Dinge an den erstaunlichsten Orten zu verstecken, und deshalb wird die Suche auch noch fortgesetzt.«
»Was geschieht mit dem Vermögen, wenn das Testament nicht auftaucht?«
»Wenn das Nachlaßgericht erklärt, daß Mr. Stonex kein Testament hinterlassen hat, sind seine nächsten Verwandten die Erben.«
»Und was weiß man von den Verwandten?«
»Soweit bekannt, hatte er nur eine Schwester. Sie wäre die Erbin, oder, für den Fall, daß sie selbst bereits verstorben sein sollte, ihre Nachkommen.«
Ich war überrascht, daß Mr. Thorrold nichts davon sagte, daß der alte Herr auch einen Bruder gehabt hatte. War es möglich, daß seine Existenz vollkommen in Vergessenheit geraten war? Auch Quitregard hatte ja noch nie etwas von ihm gehört.
»Weiß man etwas über sie?«
»Sie hat Thurchester schon in sehr jungen Jahren verlassen, und, soviel ich weiß, hat man seit über dreißig Jahren nichts mehr von ihr gehört. Mr. Stonex hat sie in meiner Gegenwart nur ein einziges Mal vor etwa acht Jahren erwähnt, als er mir sagte, daß sie ihren Sohn zu ihm geschickt habe, um ihm, wie er sich ausdrückte, ›Geld aus der Nase zu ziehen‹. Ich hatte den Eindruck, daß er sich geweigert hatte, den Wünschen seines Neffen zu entsprechen, und er kam auf die Angelegenheit mir gegenüber nie wieder zu sprechen.«
Der Untersuchungsbeamte dankte förmlich für die Aussage und Mr. Thorrold kehrte auf seinen Platz bei mir und Dr. Locard zurück. Als nächster wurde der Sergeant aufgerufen. Während er zum Zeugenstand ging, dachte ich über all das nach, was ich soeben erfahren hatte. Ich fand die Hypothese zunehmend überzeugend, daß der Mörder – sofern nicht Perkins der Täter war – jemand gewesen sein mußte, der mit dem Opfer nahe verwandt war und somit sein Vermögen erben würde, falls Stonex ohne Testament verstorben war.
»Haben Sie die Schlüssel im Haus von Perkins gefunden, Sergeant?«
»Nein, Sir.«
»Er hat sie vermutlich weggeworfen, nachdem er das Haus verlassen hatte, weil sie einen unwiderlegbaren Beweis seiner Schuld dargestellt hätten.«
»Falls er schuldig ist«, erwiderte der Sergeant ruhig.
Unter den Zuschauern und den Geschworenen erhob sich ein Gemurmel.
»Haben Sie Grund zu der Annahme, daß er nicht schuldig sein könnte, Sergeant?«
»Es gibt da so einiges, was nicht zusammenpaßt, Sir. Der Verstorbene hatte vor seinem Todestag noch nie Gäste zu sich nach Hause eingeladen. Ferner berichtete Dr. Courtine, daß jemand das Haus offensichtlich bereits gründlich durchwühlt hatte, als er und Mr. Fickling dort ankamen. Außerdem erzählte er mir, daß Mr. Stonex sehr genau auf die Uhrzeit geachtet habe. All das läßt darauf schließen, daß mehr an diesem Fall dran ist, als man auf den ersten Blick meint, und ich halte es deshalb für möglich, daß der alte Herr einen Gast erwartete und daß er nach etwas suchte, was diese Person benötigte.«
Was der Sergeant da andeutete, wies genau in die gleiche Richtung, in die meine eigenen Überlegungen sich bewegten. Während unseres Besuches war der alte Herr unnatürlich vergnügt und angeregt gewesen, und der Grund dafür konnte durchaus sein, daß er einen wichtigen Besucher erwartet hatte. Und plötzlich kam mir der Gedanke, daß er vielleicht nach seinem Testament gesucht und nur vorgegeben hatte, es ginge um den Augenzeugenbericht von der Ermordung des Dekans Freeth. Aber warum dann die Eile? Und wie seltsam, daß er sich nicht mehr daran erinnern konnte, wo er es aufbewahrt hatte.
Der Coroner zeigte sich unbeeindruckt. »Das ist eine sehr dürftige Begründung, Sergeant.«
»Da wäre noch etwas, Sir. Mr. Stonex hat die Einladung zum Tee sehr kurzfristig vorverlegt. Eigentlich sollte sie erst heute stattfinden. Es ist möglich, daß er den Termin wegen seines Besuchers geändert hat.«
»Womit hat er die Änderung begründet?«
»Mr. Fickling und er trafen sich zufällig am Mittwoch
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