Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
Vom Netzwerk:
Wahrheit zu sagen, aber ich hatte Angst, daß mir niemand glauben würde. Es sah alles so schrecklich aus.«
    »Alles hängt nun von dieser Nachricht ab. Haben Sie sie dabei?«
    Er schnappte nach Luft. »Ob ich sie dabei habe?«
    »Ja, Mann. Ist diese berühmte Nachricht in Ihrem Besitz? Haben Sie sie mitgenommen, als Sie das Haus verließen?«
    »Nein, Sir. Wie hätte ich das denn sollen?«
    »Haben Sie nicht daran gedacht, die Nachricht als Nachweis mitzunehmen, weshalb Sie das Eigentum des alten Herrn an sich genommen haben?«
    »Das konnte ich nicht, Sir. Sie war mit Kreide auf eine Schultafel geschrieben.«
    »Ja, so was! Mit Kreide auf eine Schultafel geschrieben? War Mr. Stonex gerade dabei, lesen und schreiben zu lernen?«
    Die Geschworenen und die Zuschauer lachten, aber ich lachte nicht. Plötzlich war mir etwas eingefallen, das mir bis zu diesem Augenblick gänzlich entfallen war. Als wir gerade begonnen hatten, unseren Tee zu trinken, hatte unser Gastgeber geistesabwesend eine Nachricht von einer Tafel gewischt, die auf der Anrichte gelegen hatte. War dann vielleicht auch alles andere wahr, was Perkins aussagte?
    Alle Teile des Puzzles lagen vor mir ausgebreitet, aber ich konnte sie nicht zu einem Bild zusammenfügen. Bis zu diesem Augenblick hatte ich über die Rolle des unbekannten Bruders nachgedacht, aber die Schlüsse, zu denen ich gekommen war, erklärten die Bedeutung der Nachricht und des Päckchens nicht. Beides erweckte fast den Eindruck, als habe Mr. Stonex Perkins selbst eine Falle gestellt. Und wenn ich an die kaltblütige Rechtfertigung für einen Mord dachte, die der alte Herr vorgebracht hatte, bevor wir das Haus verließen, hielt ich ihn dazu sogar für fähig. Aber er war ja selbst ermordet worden, und derjenige, der ihn umgebracht hatte, hatte ihn so sehr gehaßt, daß er sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit entstellt hatte.
    Bis zur Unkenntlichkeit! Plötzlich nahm eine erstaunliche Hypothese in meinem Kopf Gestalt an. Diese Hypothese erklärte das zerschmetterte Gesicht des Opfers als Folge von brüderlichem Haß. Und sie erklärte auch Art und Zweck der Falle, in die Perkins gelockt worden war. Außerdem wurde dadurch klar, warum es so wichtig gewesen war, daß das Testament gefunden wurde – denn ich war mir jetzt ganz sicher, daß es das Testament gewesen war, nach dem Mr. Stonex gesucht hatte.
    Der Coroner fuhr mit unverhohlener Verachtung fort: »Die Wahrheit ist also, daß Sie um halb sechs zum Haus von Mr. Stonex zurückgekehrt sind?«
    »Ja, Sir. Aber obwohl ich immer wieder geklopft habe, hat mir niemand aufgemacht, und diesmal war die Tür auch verschlossen. Also nahm ich das Päckchen wieder mit nach Hause. Als ich dann hörte, daß der alte Herr ermordet worden war, wollte ich nichts sagen, weil ich solche Angst hatte. Aber ich habe das Päckchen nicht versteckt. Ich habe es nur an einen sicheren Ort in der Küche gelegt.«
    »Wo waren Sie in dem Zeitraum, nachdem Sie das Haus wieder verlassen hatten, und zehn Minuten nach sechs?«
    »Ich bin sofort heimgegangen, Sir, Ich war bei meiner Frau, und das wird sie Ihnen auch bestätigen, wenn Sie sie danach fragen.«
    »Davon bin ich überzeugt. Und wenn wir schon von Ihrer Frau sprechen: Wie lange sind Sie denn schon verheiratet?«
    »Seit fast vier Jahren, Sir.«
    »Wie viele Kinder haben Sie?«
    »Vier.«
    »Sie müssen dringend Geld brauchen.«
    »Die Zeiten sind schwer, Sir.«
    »Wie lange haben Sie Mr. Stonex schon sein Essen gebracht?«
    »Seit einem Jahr, Sir.«
    »Haben Sie gehört, daß er reich war?«
    »Ja, Sir.«
    »Kennen Sie diese Frau, Mrs. Bubbosh?«
    »Jeder kennt Tante Meggie, Sir.«
    »Haben Sie mit ihr über Mr. Stonex gesprochen?«
    »Wir haben davon gesprochen, was für seltsame Angewohnheiten er hat, Sir.«
    »Und haben Sie darüber geredet, wie sie Ihnen helfen könnte, ins Haus zu gelangen, damit Sie den alten Herrn ausrauben konnten?«
    »Nein, Sir.«
    »Schafft ihn weg, Leute«, sagte der Coroner, als habe er es plötzlich satt, mit dem Mann zu reden.
    Ich war der nächste, der aufgerufen wurde, und als ich zum Zeugenstand ging, schenkte mir Slattery sein charmantestes Lächeln, während Austin mich unglücklich und mit blassem Gesicht anstarrte.
    Nachdem ich einige Fragen beantwortet hatte und der Coroner sich bei mir bedankte, sagte ich: »Mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Mr. Attard: Ich glaube, ich kann eine Hypothese vorbringen, die die rätselhaftesten Aspekte dieses Falles erklären

Weitere Kostenlose Bücher