Die schwarze Kathedrale
Schule geschwänzt hatte. Als ich ihn nirgends finden konnte, ging ich zum neuen Dekanat.«
»Warum das?«
»Ich hatte erfahren, daß Mr. Stonex sich irgendwie mit ihm angefreundet hatte, und fragte mich natürlich, was für ein Interesse so ein alter Herr an dem Jungen haben könnte.« Aus der Zuhörerschaft tönte wieder Gemurmel. Mr. Appleton fuhr fort: »Ich hielt es für meine Pflicht, mich um die Angelegenheit zu kümmern. Ich begab mich über den Domplatz zum neuen Dekanat, und als ich an der Rückseite des Hauses vorbeikam, traf ich eine alte Frau und fragte sie, ob sie einen Jungen in der Uniform der Chorschule gesehen habe. Sie sagte, daß ihr vor ein oder zwei Minuten ein Chorknabe aufgefallen sei, als sie an der Vordertür des Hauses vorbeiging. Also begab ich mich dorthin. Den Jungen fand ich zwar nicht, aber ich sah, daß der Kellner vom ›Angel Inn‹ – der Mann, von dem ich inzwischen weiß, daß er der Anklagte Perkins ist – vor der Tür stand und klopfte. Ich warf einen Blick auf meine Uhr, weil ich noch vor dem Ende des Gottesdienstes, um etwa zwanzig Minuten vor sechs, wieder in der Kathedrale sein wollte, um mit dem Chorleiter zu reden, bevor er nach Hause ging. Mir wurde klar, daß ich nur noch vier Minuten Zeit hatte.«
»Das war also genau um vierundzwanzig Minuten vor sechs?«
»Ganz genau.«
»Wer war die alte Frau? Ist sie als Zeugin vorgeladen worden?«
»Ich habe sie weder vorher noch nachher je gesehen und kann deshalb keine Angaben zu ihrer Identität machen.«
»Danke, Mr. Appleton.«
Nun wurde der Gefangene Perkins von zwei Polizisten in den Zeugenstand geführt, die während des ganzen Verhörs neben ihm stehen blieben.
»Ich lasse Sie erst jetzt Ihre Aussage machen, weil ich Ihnen Gelegenheit geben wollte zu hören, was gegen Sie vorgebracht wird, und alles aufzuklären, wenn Sie können. Ich muß Ihnen aber sagen, daß es ziemlich schlecht für Sie aussieht. Dies ist keine Gerichtsverhandlung, und es geht mir momentan nur darum, herauszufinden, wie Mr. Stonex gestorben ist. Wenn aber die Geschworenen zu dem Ergebnis kommen, daß die Beweislage so ist, daß nur Sie als Täter in Frage kommen, werden Sie des Mordes angeklagt und vor Gericht gestellt. Haben Sie das verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Wenn Sie alles aufklären können, indem Sie jetzt die Wahrheit sagen, dann ist das um so besser für Sie, denn ich muß Ihnen sagen, daß die Art und Weise, wie Sie Ihre Geschichte ständig verändert haben, Sie ganz besonders verdächtig macht. Ich möchte jetzt mit dem Zeitpunkt beginnen, zu dem Sie das Abendessen für den alten Herrn abgeliefert haben. Sie haben dem Major erzählt, daß Sie eine Nachricht von Mr. Stonex vorgefunden hätten, in der von einem Päckchen die Rede war, das später in Ihrem Haus versteckt gefunden wurde. Halten Sie an dieser Aussage fest?«
»Ja, so war es. Aber das Päckchen war nicht versteckt, ich hatte es bloß sicherheitshalber in den Schrank gelegt, und ich habe es nicht aufgemacht und weiß auch nichts von dem Blut.«
»Erzählen Sie den Geschworenen, was geschah, als Sie um vier Uhr zum neuen Dekanat gingen.«
»Das erste, was komisch war, war, daß er nicht aufgemacht hat, als ich an die Tür klopfte. An der Tür hing ein Zettel, auf dem stand: ›Kommen Sie rein.‹ Ich probierte also an der Tür, und sie war tatsächlich nicht abgeschlossen. Ich war sehr erstaunt, weil das noch nie passiert war. Er achtete sonst immer sehr darauf, daß alle Türen versperrt waren, der Mr. Stonex.«
»Also sind Sie hineingegangen. Was geschah dann?«
»Ich habe das Essen auf den Tisch gestellt, wie immer. Und dann habe ich die Nachricht gesehen.«
»Aha, die berühmte Nachricht. Jetzt wollen wir einmal folgendes klarstellen: Als Sie zum ersten Mal vernommen wurden, sagten Sie nichts von dieser Nachricht und leugneten, um halb sechs dort gewesen zu sein. Dann, nachdem Mr. Appleton der Polizei mitgeteilt hatte, daß er Sie zu dieser Zeit an der Vordertür gesehen hatte, gaben Sie zu, wiedergekommen zu sein, und zwar wegen einer Nachricht, die Sie um vier Uhr dort gefunden hätten, sagten aber noch nichts von dem Päckchen. Nachdem Ihr Haus durchsucht und das Päckchen gefunden wurde, gaben Sie dann zu, daß Sie es mitgenommen hatten, behaupteten aber, sie hätten das nur getan, weil Sie in der Nachricht dazu aufgefordert wurden. Habe ich die Tatsachen korrekt wiedergegeben?«
»Ja, Sir. Es war sehr dumm und falsch von mir, nicht sofort die ganze
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