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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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schweigend zu, wie Mr. Attard sich erhob und den Saal verließ und der Angeklagte hinausgeführt wurde.
    Ich stand auf und ging zum Ende der Sitzreihe, mußte aber feststellen, daß ich nicht weitergehen konnte, weil die massige Gestalt des Majors den Gang blockierte. Also drehte ich mich um und ging wieder zurück, stieß jedoch auf Dr. Locard, der sich gerade mit dem Rechtsanwalt unterhielt. Hinter ihnen bemerkte ich Sergeant Adams, der so wirkte, als wolle er mit mir sprechen, sich aber ebensowenig von der Stelle rühren konnte wie ich. Während ich unbeachtet dastand und mich äußerst unbehaglich fühlte, hörte ich hinter mir die Stimme des Majors dröhnen. Er beantwortete offenbar eine Frage, die ich nicht gehört hatte. »Eine reine Formsache, das kann ich Ihnen versichern. Bei den Beweisen kann kein Geschworener ihn freisprechen. Er wird noch vor Ostern hängen.«
    Ich ging auf Dr. Locard zu und hörte, wie er mit Mr. Thorrold vereinbarte, daß er später an diesem Nachmittag in dessen Büro kommen würde. Dann eilte der Rechtsanwalt davon. Erleichtert beobachtete ich aus den Augenwinkeln, wie auch Fickling in Begleitung von Slattery den Saal verließ.
    Zu meiner Überraschung drehte sich Dr. Locard zu mir um und sagte lächelnd: »Dr. Courtine, meine Frau und ich haben unerwartet festgestellt, daß wir heute abend frei sind. Es wäre uns eine große Ehre, wenn Sie mit uns zu Abend essen würden. Es gibt eine Reihe von Dingen, die ich gerne mit Ihnen besprechen würde.«
    Da mir nicht schnell genug eine überzeugende Ausrede einfiel, sagte ich zu, und wir vereinbarten die Uhrzeit.
    Wir schüttelten uns die Hand, und Dr. Locard ging zu dem Major und Mr. Wattam hinüber, um mit ihnen zu reden. Bevor ich entkommen konnte, stand Adams neben mir und blockierte meinen Fluchtweg. »Ich fand Ihre Aussage sehr interessant, Dr. Courtine. Wirklich sehr interessant. Obwohl ich zugegebenermaßen nicht glaube, daß Ihre Theorie, daß Mr. Stonex seinen Bruder ermordet haben soll, zutrifft; aber ich denke doch, daß sie nicht sehr weit von der Wahrheit entfernt sein kann.«
    »Ich weiß es nicht, Sergeant Adams«, sagte ich. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    Er senkte die Stimme und sah sich vorsichtig um. »Ist Ihnen aufgefallen, was Mr. Fickling zuletzt noch gesagt hat?«
    »Entschuldigen Sie, aber ich habe jetzt nicht die Zeit, mich darüber zu unterhalten.«
    »Sie würden das Haus in der Orchard Street doch sicher wiederfinden, Sir?«
    »Ich möchte Sie bitten, mich vorbeizulassen, Sergeant.«
    »Könnten Sie morgen auf die Polizeiwache kommen? Egal, wann. Ich werde den ganzen Tag da sein.«
    »Ich bezweifle, daß ich vor meiner Abreise noch Zeit dazu finde.«
    »Ich habe Ihre Adresse in Cambridge, Dr. Courtine. Könnte ich Sie vielleicht besuchen, wann immer es Ihnen paßt?«
    »Bitte entschuldigen Sie.« Ich drängte mich an ihm vorbei zur Tür, verließ das Gebäude und ging rasch zum Domplatz.
    Ich hatte keine Minute zu verlieren. Der Sergeant hatte recht. Ich war der Wahrheit sehr nahe gekommen. Aber es war mir nicht gelungen, sie wirklich zu erkennen. Warum hatte es Fickling so eilig gehabt, ein Alibi vorzubringen, obwohl niemand ihn irgendeiner Tat bezichtigt hatte? Er hatte gefürchtet, daß ich etwas Bestimmtes sagen könnte. Aber was nur? Vor allem gingen mir diese seltsamen Worte nicht aus dem Sinn, die offenbar auch dem Sergeanten verdächtig vorgekommen waren: »Wer war es dann, der uns mit Tee bewirtet hat?«
    Ich wollte unbedingt zu Ficklings Haus gelangen, meine Sachen packen und fort sein, bevor er zurückkam. Ich eilte durch die stillen Straßen und hoffte, daß er und Slattery noch nicht dort eingetroffen sein würden. Es wurde bereits finster, und die ersten Gaslaternen wurden entzündet. Der Domplatz jedoch, den ich durch das Nordtor betrat, lag noch im Dunkeln. Warum war Dr. Locard auf einmal so freundlich gewesen? Warum war er nicht entrüstet über meine öffentliche Konfrontation mit Fickling? Einen Skandal fürchtete er doch bestimmt mehr als alles andere.
    Als ich Ficklings Haus betrat, schien niemand zu Hause zu sein. Da ich keine Aufmerksamkeit erregen wollte, drehte ich die Gaslampe in der Eingangshalle nicht hoch, sondern entzündete nur eine Kerze an der Pilotflamme. Ich ging direkt in mein Zimmer hinauf und packte schnell meine Tasche.
    Fickling war in den Mord verwickelt, daran zweifelte ich nicht mehr. Eine neue Idee, was tatsächlich passiert sein könnte, begann in meinem Kopf

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