Die schwarze Kathedrale
kleine Theorie dazu. Beorghtnoth hatte ein geheimes Abkommen mit Olaf geschlossen, und der Angriff auf Exeter hatte den Zweck, den König von Thurchester wegzulocken. Als Alfred seine Hauptstadt verließ, hatten die Dänen ihre Armee bei Exeter bereits geteilt. Die kleinere Hälfte blieb in der Nähe dieser Stadt, um die Rückkehr des Königs zu verzögern, während die größere unter der Führung von Olaf selbst nach Thurchester eilte, und zwar auf einem Weg, der sie in weitem Bogen nach Norden führte. Da Thurchester jetzt nur noch schwach verteidigt war, ließ sich die Stadt leicht einnehmen. Als Alfred in Exeter ankam, stellte er fest, daß die Dänen die Stadt verlassen hatten. Er hastete also nach Thurchester zurück, doch die Dänen hatten die Stadt bereits erobert, und zum größten Entsetzen des Königs hielten sie Wulflac als Geisel gefangen. Ich lese dir den nächsten Abschnitt vor.«
Bei diesen Worten stieß Austin einen leisen Seufzer aus. »Nein wirklich«, sagte ich. »Du wirst sehen, daß er sehr wichtig ist.
Olaf schickte Alfred eine Botschaft, daß er Wulflac töten werde, wenn ihm nicht der größte Teil des Goldes und des Silbers ausgeliefert würde und wenn der König nicht versprechen würde, sich durch eine feierliche Messe zu verpflichten, fortan in Frieden mit den Dänen zu leben. Als Alfred antwortete, er habe den Staatsschatz in Exeter gelassen und werde einen Teil seiner Armee entsenden, um ihn zu holen, erklärte Olaf sich bereit, zehn Tage lang zu warten. Er drohte allerdings, daß Wulflac sterben werde, wenn ihm das Gold nicht bis zur Abenddämmerung des zehnten Tages ausgehändigt worden sei. In Wirklichkeit hatte Alfred den Schatz jedoch bei sich und wollte nur Zeit gewinnen, denn die frischen Truppen sollten in neun oder zehn Tagen eintreffen. Im Witan jedoch sprach Beorghtnoth, unterstützt von denjenigen unter den Thengs, die wollten, daß er Alfred an den Feind verriet, sich dafür aus, daß der König den Schatz ausliefern solle. Der König befand sich in einem entsetzlichen Zwiespalt. Um die Situation zu bereinigen, schlug er einen überraschenden und kühnen Angriff auf die Stadt vor. Die Thengs weigerten sich jedoch, diesen Vorschlag anzunehmen, und bestanden darauf, die Verstärkung abzuwarten. Die Tage vergingen, doch die neuen Truppen tauchten nicht auf. Endlich, am neunten Tag, teilte Alfred dem Witan mit, daß er sich selbst ausliefern wolle, um das Leben seines früheren Lehrers zu retten. Alle waren entsetzt – mit Ausnahme von Beorghtnoth und seinen Verbündeten, die heimlich jubelten –, und sie erklärten Alfred, daß der Bestand des Königreiches davon abhinge, daß er das Kommando behalte. Alfred begab sich in sein Privatgemach und begann, nur von seinem jungen Kaplan begleitet, zu Gott zu beten, er möge ihm sagen, was er tun solle.
So wie Grimbald das beschreibt, ist dies ein erstaunlicher Augenblick. Seit dem Ende der römischen Zivilisation ist dieser Bericht eine der ersten Gelegenheiten, einen Blick in die Seele eines Menschen zu werfen. Und natürlich handelt es sich um das klassische Dilemma: den Konflikt zwischen Liebe und Pflicht. Übrigens, ich bin gespannt, ob dir der Beweis für meine Hypothese aufgefallen ist.«
Austin gab keine Antwort. »Grimbald fährt fort:
Der König fragte den Priester um Rat, und der junge Mann, der von diesem Vertrauensbeweis des Königs zutiefst bewegt war und sich wegen seines Verdachts gegen den verräterischen Beorghtnoth große Sorgen machte, drängte ihn, das Gold auszuhändigen. Danach könne er die Dänen angreifen, sobald die frischen Truppen eingetroffen seien. Der König wandte ein, daß er dann seinen heiligen Eid brechen müsse, was eine schwere Sünde gegen Gott sei. Der junge Priester antwortete, daß vor Gott kein Versprechen, das einem Heiden gegeben worden sei, bindend sein könne.
Siehst du, das war ein überaus listiger Rat. Er ist sowohl militärisch als auch politisch sinnvoll. Und rein theologisch gesehen hatte der Kaplan ebenfalls recht. Aber Alfred fühlte sich offenbar dem vorchristlichen Verhaltenskodex der Angelsachsen verpflichtet, denn der Text geht folgendermaßen weiter:
Alfred jedoch versicherte, daß sein Ehrgefühl ein solches Vorgehen nicht gestatte. Und so trat der König nach drei Stunden des Betens und Beratens wieder vor den Witan und verkündete, daß er zu dem Schluß gekommen sei, es sei seine Pflicht, persönlich mit dem Feind zu verhandeln und sich nötigenfalls selbst als
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