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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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Geisel an Stelle des Bischofs anzubieten. Die Thengs waren zornig, und nun waren es die Treuesten unter ihnen, die am lautesten riefen, daß sie dergleichen nicht zulassen würden. Beorghtnoth meldete sich zu Wort und bot an, zu Olaf zu gehen und zu versuchen, eine Lösung für das Problem zu finden, und Alfred stimmte diesem Vorschlag vertrauensvoll zu. Und so suchte Beorghtnoth also Olaf auf, allerdings nicht in der Absicht, seinem Onkel zu helfen – sondern um ihn zu betrügen. Er verriet dem dänischen Anführer, daß Alfred das Gold bei sich habe und noch auf Verstärkung warte. Deshalb müsse Olaf den König zwingen, die Angelegenheit schnell zu erledigen. Nun wurde Wulflac zusammen mit seinen beiden Kaplänen hereinführt, und Beorghtnoth, der sich in niederträchtiger Weise verstellte, äußerte Mitleid mit ihm. Der hochgebildete Bischof hatte jedoch selbst einen heimlichen Plan – selbstverständlich einen vollkommen ehrenhaften und guten –, und der bestand darin, Alfred eine Botschaft zu schicken, die nur er allein verstehen konnte. Also sprach der Bischof zu Beorghtnoth: ›Sag deinem Onkel, er möge getrost sein und in dieser Nacht an das denken, was der gelehrte Plinius geschrieben hat: ,Der wahrhaft Weise wird auch im Augenblick der Dunkelheit, in dem sich die Sonne verfinstert, ein Licht finden, während der Narr schon von der einfachen Abenddämmerung erschreckt wird.‘ Dies sind Zeilen, an die er sich gewiß erinnern wird.‹ Er ließ den Neffen, der nicht lesen und schreiben konnte, diese Botschaft so lange wiederholen, bis er sie auswendig konnte. Und dies war der heimliche Plan des Gelehrten: Aufgrund seiner profunden Kenntnis des Himmels und der Bewegung der Sterne wußte Wulflac, daß in der Morgendämmerung des nächsten Tages eine Sonnenfinsternis stattfinden würde. Und weil er und der König kürzlich zusammen in den Werken des Plinius gelesen hatten, in denen solche Phänomene beschrieben werden, war er sich sicher, daß Alfred ihn verstehen würde. Leider erriet Beorghtnoth jedoch, daß Wulflac versuchte, eine versteckte Nachricht zu übermitteln, und beschloß, seinem Onkel nichts von der Botschaft des Bischofs zu sagen. Als er in das Lager der Engländer zurückkehrte, teilte er Alfred und dem Witan deshalb nur mit, daß sein Versuch, mit den Dänen zu verhandeln, erfolglos verlaufen sei. Unterdessen erteilte Olaf auf Beorghtnoth’ Rat den Befehl, Wulflac hoch oben am Westtor der Stadtmauer aufzuhängen, so daß die Belagerungsarmee ihn gut sehen konnte. Als Alfred das erfuhr, wurde er von Zorn und Kummer erfüllt und verkündete, daß er nun entschlossen sei, sich den Dänen an Stelle des Bischofs auszuliefern. Die Thengs, einschließlich des heuchlerischen Beorghtnoth und seiner Verschwörer, baten ihn unter Tränen, dies nicht zu tun, und versicherten, daß die Dänen ihn ganz gewiß töten würden, sobald sie ihn in ihrer Gewalt hätten. Alfred jedoch antwortete, daß er nun von seinem Recht, seinen Nachfolger zu designieren, Gebrauch machen wolle, und wählte seinen Neffen, von dem er sicher war, daß er ein guter König sein würde, falls er selbst sterben sollte. Daraufhin ging die Mehrzahl der treuen Thengs, die sahen, wie entschlossen Alfred war, so weit, ihn mit physischer Gewalt daran zu hindern, seine Privaträume zu verlassen. In den Stunden der Dunkelheit vor der Morgendämmerung des zehnten Tages, des Tages also, an dem Wulflac getötet werden sollte, verkleidete sich der König als einer seiner Knechte und entkam.
    Unerkannt gelangte er zu dem Ort, wo sich die Pferde der Armee befanden, und entdeckte sein eigenes Roß, den wilden Wederstepa, den niemand außer ihm reiten konnte. Das Pferd leistete Widerstand, als er es sattelte, aber sobald der König aufsaß, erkannte es seinen Herrn und wurde still. Der Lärm, den der Hengst gemacht hatte, hatte jedoch den jungen Stallburschen aus dem Schlaf geweckt, und als dieser sah, wie sanft sich das Pferd betrug, da wußte er, daß der Fremde, der im Sattel saß, kein anderer als König Alfred war.
    Übrigens«, sagte ich, »ich weiß nicht, ob du Landseers Gemälde von dieser Szene in der National Gallery kennst?«
    »Landseer?« Er lächelte. »Wie heißt es? ›Der König, von Hunden gestellt‹?«*
    (* Edwin Landseer ist wegen eines einzigen Gemäldes mit dem Titel »Hirsch, von Hunden gestellt« bekannt.)
    Ich merkte sofort, daß das ein Witz war und lachte. »Nein, dieses Gemälde ist von Edwins Bruder Charles. Es

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