Die Schwarze Katze Von La Guadana: Horror-Roman ; ["Ein Meisterwerk Des Poetischen Horrors"]
hätte. Die anderen folgten fast geräuschlos. Die Rehe waren schon verschwunden, als das Rascheln ihres Aufbruchs noch in der Luft hing, und der Zweig schwang noch hin und her, als sie längst verschwunden waren.
Sie hatte gewußt, daß es ein sehr weitläufiger Grundbesitz war und daß er in gewisser Weise aus prähistorischem Wald bestand, aber bei allem Respekt für das Land hier war ihr nie bewußt gewesen, wie weit sich Live Oak wirklich erstreckte.
Sie rannten, überspült von der Hitze, geschlagen vom Schatten.
Sie konnte nicht mehr weiter rennen. Sie würde anhalten müssen. Ihre Füße zitterten, und ihre Lungen brannten. Aber sie blieb nicht stehen, obwohl sie Bell weit hinter sich gelassen hatte und seine Schritte nur noch aus der Ferne hörte.
Sie rannte, bis endlich die Spitze des Daches und die großen grünen Pappeln durch die Eichen sichtbar wurden. Die letzten Büsche schlugen Sarah ins Gesicht, als sie durch sie hindurchbrach, und dann erreichte sie freies Gelände. Der Rasen zischte unter ihren Füßen. Sie hätte ihn niemals verlassen dürfen, und sie würde immer bei ihm bleiben, egal, was auch passierte. Maria konnte jetzt nichts mehr unternehmen, um Ham weh zu tun. Sarah rüttelte an der Haustür und werkelte so lange an ihr herum, bis sie aufging.
Im Haus war es kühl, und die Wände schienen sich mit dem Klang ihrer Schritte nach außen zu weiten, um sie in sich aufzunehmen.
Sie konnte kein Wort hervorbringen. Sie atmete einfach zu schwer. Sie rief nach Ham, aber ihre Stimme klang gebrochen vom Keuchen.
Sie rief wieder, diesmal mit klarer, vernehmbarer Stimme.
Die Antwort war Schweigen – bis auf das leise Gurgeln des Aquariums in der Ferne. Von oben und aus dem Wintergarten kam keine Antwort. Sie rief nach Clara, denn sie wußte, daß Clara sofort antworten würde.
Da war nur der Hauch des großen Hauses rings um sie herum und über ihr. Es war die Stille alter Wände, alter Roßhaar-Polsterung und schwerer alter Balken.
Sarahs Atem ging jetzt wieder ruhig. Sie hatte das Gefühl, ein jeder müsse irgendwohin gegangen sein, und sie kam sich vor wie ein Kind, das versucht, sich eine Erklärung für einen Ort zusammenzureimen, der auf subtile Weise, aber unbestreitbar, gefährlich ist.
Und dann sagte sie sich, sie sei kindisch. Es war zu still, und doch war sie im Moment so dankbar, überhaupt hierzusein, daß sie sich selbst einredete, sie befinde sich in keinerlei Gefahr. Bestimmt war alles in Ordnung, jetzt, da sie endlich auf Hams Landsitz war. Wenn sie nur Ham sehen und wissen könnte, daß es ihm gut ging.
Der Piranha blinkte, eine stählerne Klinge, verwandelt in einen wild anzuschauenden, elastischen Fisch. Als sie Hams Büro erreichte, fand sie es leer.
Sie berührte die Sprechanlage und hörte einige wenige Herzschläge lang das hallende Schweigen des Hauses, bis ihr bewußt wurde, daß das, was sie hörte, das Schweigen eines zerstörten Instruments war. Dann hob sie den Telefonhörer von der Gabel.
Sie hatte es erraten. Sie hatte nicht erwartet, daß das Telefon funktionieren werde. Es war vorhersehbar gewesen, daß dieses Gerät an ihrem Ohr tot sein werde.
Die Fenster gingen auf den leisesten Druck auf, und da war der grüne Rasen, das Zwitschern von Vögeln in der Ferne, und alles war gut. Ham mußte irgendwo da draußen sein, auf einem Spaziergang vielleicht oder womöglich endlich auch bei der Arbeit an seinem neuen Stück. Und die Kette und das tote Telefon hatten gar nichts weiter zu bedeuten. Sie zögerte und versuchte, sich selbst etwas vorzulügen, schaffte es aber nicht und trat schließlich wieder in die Hitze hinaus. Von Bell war nichts zu sehen. Er hatte recht gehabt, sich zu ängstigen. Jetzt hatte er sich verlaufen, armer Mann, und wenn sich jemand erst einmal verirrt hat, das wußte sie, kann es lange dauern, bis er seinen Fuß wieder in einen Zufluchtsort setzt.
Als sie es zum erstenmal hörte, war es ein angenehmer Klang, sehr ähnlich dem Klang einer Feierlichkeit, disharmonisch, aber pure Musik – ein Klang, wie wenn etwas zerbricht. Ein süßer Klang, gewiß ein glückliches Geräusch.
Das Klingen zerspringenden Glases.
Sie führte eine Hand an die Lippen. Das Außenbüro, dachte sie. Es passiert im Außenbüro.
Sie begann zu laufen – den Hang hinunter den fortdauernden Geräuschen entgegen. Oder waren es gar keine Geräusche? Sie waren so zart und leise, daß sie kaum zu entscheiden vermochte, worum es sich genau handelte. Auf keinen
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