Die Schwarze Katze Von La Guadana: Horror-Roman ; ["Ein Meisterwerk Des Poetischen Horrors"]
minderwertig. Das hatte er nicht erwartet, und dann wurde ihm bewußt, daß alle seine Erwartungen und die Monate der Vorbereitung ihn zu einem Punkt geführt hatten, wo der wirkliche, leibhaftige Mensch nur noch einschüchternd auf ihn wirken konnte. Er war sonst nicht leicht zu beeindrucken. War nicht selbst der Papst ein Mensch wie jeder andere gewesen?
Speke würde sich als der große Mann erweisen, den Bell seit je in ihm zu finden erwartet hatte, aber er würde sich am Ende auch wieder nur als ein Mensch unter Menschen erweisen.
Gewiß, jeder, der ein Musikalbum wie First Cut und ein Bühnenstück wie Stripsearch schreiben konnte, und das in ein und demselben Leben, mußte einfach ein erstaunliches Individuum sein. Aber das war doch kein Grund, sich ständig zu räuspern wie ein kleiner Junge im Büro des Schuldirektors.
»Ich hatte einen anstrengenden Morgen«, sagte Speke und reckte sich, ein Mann, der sich sehr darum bemühte, den Anschein zu erwecken, als sei er mit sich selbst im Frieden.
»Mußte ein paar Wege freiräumen.«
»Sie hassen jede Form von Untätigkeit«, vermutete Bell.
Speke zögerte einen Augenblick länger mit der Antwort, als nötig gewesen wäre. »Ich habe Buschwerk beiseite geräumt.«
Nein, er hatte keine Eheprobleme. Er mußte körperliche Schmerzen verspüren, dachte Bell. Speke leidet Schmerzen, und trotzdem bemüht er sich, mich wie zu Hause fühlen zu lassen. Er murmelte etwas von ›wieder zusammenpacken‹, aber Speke unterbrach ihn.
»Ich werde absolut ehrlich sein – ich möchte, daß Sie das von allem Anfang an wissen.«
»Das ist schön«, erwiderte Bell und bemühte sich um ein ähnlich strahlendes Lächeln.
»In jeder Hinsicht ehrlich.«
Bell lächelte so angestrengt, daß er nicht einmal etwas erwidern konnte.
»Sie werden alles erfahren«, sagte Speke, »alles, was Sie wissen müssen. Ich werde so aufrichtig mit Ihnen sein wie mit mir selbst.«
»Das ist wundervoll«, sagte Bell und fürchtete schon, ein wenig verkrampft zu wirken. Keiner von denen, die er bisher interviewt hatte, hatte so sehr darauf gepocht, ehrlich zu sein.
»Es gibt da etwas, das mich beunruhigt«, fuhr Speke fort. »Es hat wohl keinen Zweck, einem Mann wie Ihnen etwas verheimlichen zu wollen.« Er setzte sein gewinnendstes Lächeln auf und fügte hinzu: »Wir werden Besuch bekommen.«
»Besuch?«
»Ein Filmteam. Ich wollte, die Leute kämen heute nicht.«
»Verstehe«, sagte Bell. Entspanne dich, sagte er sich selbst, tu so, als hättest du vor dem heutigen Tag wenigstens schon einmal in deinem Leben Englisch gesprochen.
»Sie machen eine Serie für PBS. Hier am Ort. Heute nachmittag. Ich hoffe, Sie sind nicht allzusehr enttäuscht.«
»Ich hatte schon von allem Anfang an den Eindruck, als sei der Tag heute nicht besonders günstig gewählt.«
»Dies ist kein Tag wie alle anderen.« Wieder bot er sein berühmtes Speke-Lächeln. »Einer von diesen Tagen, die man am liebsten streichen würde.«
Dieser Mann tat alles, um es ihm angenehm zu machen, und Bell fühlte, wie er ein ganzes Stück kleiner wurde. Er wäre gern zu einem langen Spaziergang aufgebrochen, um Stunden später noch einmal von vorn zu beginnen, einen neuen Auftritt zu haben, frisch und unbelastet.
Wie konnte er jemanden interviewen, der ihm so sehr das Gefühl der Unterlegenheit vermittelte?
Speke spürte, was hinter Bells Stirn vorging. »Ich stecke mitten in etwas ganz Neuem«, sagte er und lehnte sich etwas vor. »Ausgerechnet heute, jetzt – da. In just dieser Minute.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf die Stirn.
»Das ist ja wundervoll«, sagte Bell. Du klingst wie ein Einfaltspinsel, sagte er zu sich selbst.
Es war in der Tat wundervoll, und es erklärte so vieles. Speke war mitten in der Arbeit an etwas Neuem. Er versuchte, alles Störende abzuwimmeln, um seine Frustrationen loszuwerden.
Es könnte das neue Stück sein, auf das die ganze Welt wartete.
Es könnte sich auch um Musik handeln. Bell blickte zur Seite und ärgerte sich, diesen großen Geist von seiner Arbeit abgehalten zu haben. Speke hatte also nicht mit irgendwelchen Beziehungsproblemen oder körperlichen Schmerzen zu kämpfen.
»Wenn ich Ihnen daher beim Essen leider keine Gesellschaft leisten kann«, sagte er, »so bitte ich Sie, mich entschuldigen zu wollen.«
»Aber natürlich. Verzeihen Sie. Es war sehr freundlich von Ihnen, überhaupt hergekommen zu sein, um mit mir zu reden…«
»Es ist ein guter Tag, Bell«, sagte Speke
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