Die Schwarze Katze Von La Guadana: Horror-Roman ; ["Ein Meisterwerk Des Poetischen Horrors"]
sagen: Ihr beide seid doch niemals hier, um Recherchen für ein Buch zu machen. Ihr macht euch wegen irgend etwas Gedanken. »Das ist schwierig«, sagte sie.
»Das passiert schon mal. Jemand möchte etwas über die Herkunft eines Bildes wissen, und der Eigentümer hat mich beauftragt, seinen Namen nicht zu nennen. Ein wohlhabender Mann könnte sich genötigt sehen, etwa einen Bonnard zu verkaufen, um liquide zu werden. Sie können sich denken, wohin uns das bringt – in eine schwierige Position.«
Die Augen der beiden Frauen trafen sich. Sarah verstand den Blick der anderen. Er sagte: Dieser Mann hat sich entschlossen, nicht zu sehen, aber Sie verstehen schon. Es gibt Geheimnisse, die ich nicht ausplaudern kann.
»Ich will Sie ganz gewiß nicht in eine schwierige Position bringen«, sagte Bell.
Tonloses Lachen. Nein, das wollen wir wirklich nicht.
Dann blickte die Frau auf und an ihnen vorbei. Bei jedem anderen menschlichen Wesen hätte das gekünstelt ausgesehen.
Aber es war schlicht nichts anderes als die Bereitschaft, ein Geheimnis oder auch mehrere Geheimnisse mit ihnen zu teilen.
»Sie spricht nicht gern«, begann Erika Spyri. Sie blickte auf ihre Nägel hinunter und studierte ihre Hände. »Zuerst hatte ich gedacht, sie wolle sich nur das Image der Unnahbaren geben, der Rätselhaften.«
»Viele Künstler sind in ihrem Wesen kompliziert«, sagte Sarah und meinte damit: Komm zum Punkt. Und auf einmal spürte sie große Zuneigung zu dieser Frau. Irgend etwas hemmte sie, hielt sie davon ab, frei und offen zu reden. Es war fast, als würden sie abgehört.
Die Stimme der Frau war wie Seide. »Aber der Umstand, daß Sie, die sie Maria doch eigentlich recht gut kennen müßten, zu mir kommen müssen – das sagt mir doch einiges. Das sagt mir, wie verschwiegen Maria tatsächlich ist. Ich wollte eigentlich nicht ›verschwiegen‹ sagen, sondern eher ›eigen‹.«
Noch mehr lautloses Lachen, aber nicht als Ausdruck guter Laune. Sarah wußte, daß die andere nicht nur aus Versehen ein falsches Wort benutzt hatte, und sie vermutete, obwohl sie alles andere als sicher war, daß Erika Spyri ganz froh war, über etwas reden zu können, und sei es noch so diskret, was ihr erkennbar Sorgen gemacht haben mußte.
»Tatsache ist, daß Maria aus dem Nichts gekommen zu sein schien und vor etwa zehn Jahren an der Ostküste förmlich mitten ins Herz dieser Welt platzte. Sie war erst kurz vorher verwitwet, eine junge Frau von stiller Schönheit und einer erstaunlichen Begabung im Umgang mit Aquarellfarben. Eine Galerie in New York begann, ihre Werke auszustellen, und dann gab es eine Besprechung ihres Werkes in einer Fachzeitschrift, dann noch eine und so weiter, bis jeder, der etwas auf sich hielt, unbedingt einen Maria Merriam an der Wand hängen haben mußte. Dabei waren das alles nur einfache Aquarelle von Blumen – wer hätte das gedacht.«
Mrs. Spyri inspizierte wieder ihre Nägel und die Schreibtischplatte. »Vor ein paar Jahren war sie dann plötzlich unauffindbar. Völlig von der Bildfläche verschwunden. Es gab Gerüchte über Reisen, eine Heirat, Allüren einer Künstlerin.
Aber der Kunstbetrieb vergißt. Maria wäre nicht die erste glorreiche Motte gewesen, die plötzlich ins Licht geflogen kam und sich dort verbrannte. Ich glaube schon, daß sich einige von uns Sorgen gemacht haben. Aber…« Sie machte eine vage Handbewegung, als wollte sie sagen: Was kann man da schon groß tun?
»Und dann war ich vor etwa sechs Monaten höchst erstaunt und erfreut, sie hier bei mir in diesem Büro mit neuen Arbeiten zu sehen. Ich war erfreut genug, sie zu begrüßen, ohne sie mit Fragen zu behelligen. Wieder kam sie nach allem, was ich weiß, aus heiterem Himmel von nirgendwoher.«
Erika Spyri beobachtete die Gäste genau, um den Effekt ihres Berichtes abschätzen zu können.
»Dann wissen Sie also im Grunde gar nichts Genaues über sie?« fragte Chris.
»Ich habe Ihnen schon eine Menge gesagt. Ich weiß auch, daß Sie das alles schon wissen.« Sie sah zur Seite, und fast schien es, als lausche sie auf etwas, das sie in weiter Ferne vernehmen könne. »Ich mag keine Mysterien«, fuhr sie dann fort. »Lassen Sie sich doch einmal von irgend jemand alle seine Geheimnisse erzählen, alle auf einmal, und sie werden sehen, wie Sie das alles in allem langweilt, wenn man es erst einmal gehört hat. Wir können diese sogenannten Geheimnisse anderer in aller Regel anschließend getrost in den Papierkorb werfen, und unser
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