Die Schwarze Katze Von La Guadana: Horror-Roman ; ["Ein Meisterwerk Des Poetischen Horrors"]
versunken seine Notizen machte. Erika Spyri hatte sie auf die Straße hinaus begleitet, wobei sie ständig flüsterte und ihre Augen überall zu haben schien. Schließlich hatte sie sie dann verabschiedet, sichtlich erleichtert, nun wieder in die Routine ihres Büros zurückkehren zu können. Selbst als sie schon in der Bar saß, spürte Sarah noch eine Welle der Zuneigung für diese Frau. Es mußte schrecklich sein, dermaßen von Ängsten gepeinigt zu werden.
Bells schwarzes Notizbuch quoll über von Aufzeichnungen.
Seine Füllfeder verursachte leise schabende Geräusche, während sie über das Papier glitt. »Wir können nicht mehr länger bleiben«, sagte sie.
»Laß mich zuerst noch mein Glas austrinken«, erwiderte er, ohne von seinem Büchlein aufzusehen.
Sie wollte schon einverstanden sein – natürlich. Trink dein Glas nur aus. Vielleicht hatte er recht. Sein ganzes Verhalten drückte aus: Wozu die Eile? Aber innerlich kochte sie. Sie saß reglos da, aber sie wußte, es fehlte nicht mehr viel, und sie würde das Glas mit dem Sherry darin an die gegenüberliegende Wand werfen.
Normalerweise liebte sie den Klang eines Klaviers. Es war stets, als lege sich die Musik wie eine warme Hand auf sie, als vermittle sie ein Gefühl von Daheimsein. Doch heute war die Musik wie eine ungebetene Gunst, eine Sicherheit, der sie nicht traute oder die sie nicht wollte.
»Für jemanden, der sich weigert, ein Geheimnis preiszugeben, hat sie uns ja ganze Bände voller Informationen gegeben«, sagte Bell und schloß sein Notizbuch.
So sehr sie auch seine Gegenwart genoß, seine Stimme und die ganze Art, wie er sich bewegte, fiel es ihr doch schwer, still zu sitzen.
Alles war wundervoll, sagte die Musik. Die ganze übrige Welt ist ein Traum. Es war eine von jenen Pop-Melodien, die schon lange out waren und die ihr doch nie aus dem Sinn gingen. Ein Song, der vor ihrer Zeit groß herausgekommen war und doch auch ein Teil ihrer Zeit war.
»Es gefällt dir hier nicht«, sagte Bell.
Es hätte ihr hier sehr wohl gefallen können. Gesalzene Nüsse und gebrannte Mandeln, gedämpftes Licht. Sie spürte wieder dieses Kribbeln, das sie einst empfunden hatte, Jahre zuvor, als sie noch ein Teenager gewesen war und sich vorgestellt hatte, wie es wohl sein werde, wenn sie sich eines Tages verliebe.
Das war Romantik von einer Art, von der sie sich früher immer vorgestellt hatte, sie eigne sich nur als Stoff für Teenager-Romane oder als Zugabe zu einer guten Flasche Champagner.
Jetzt aber verspürte sie nur den dringenden Wunsch, von hier fortzulaufen. Dies war nicht der Augenblick, süß zu lächeln, und Sarah wußte, daß sie genug gelächelt hatte. Bis ins Mark hinein spürte sie ein Warnsignal heulen. Einen Alarm, eindringlich, schmerzlich. Der Pianist ließ seinen Song langsam ausklingen und wechselte dann zu einer anderen Melodie. Siehst du nicht, wie schön das Leben ist? sagte die Musik.
Glaub es nicht, tönte der Alarm dagegen an. Warnung, Warnung, Warnung.
Der Alarm sagte: Maria Asquith.
Der Alarm sagte: Ham steckt in Schwierigkeiten.
»Ich kann hier besonders gut denken«, sagte Bell fast entschuldigend. »Hier habe ich Bürgermeister, Senatoren und Gangster interviewt. Ein kolumbianischer Drogenfürst saß mir hier gegenüber, auf demselben Platz, auf dem du jetzt sitzt, und wir haben über das letzte Endspiel geredet.«
Sicher würde Bell genauso empfinden wie sie selbst.
Bestimmt würde er verstehen, was vorging. Aber ihre Ängste saßen so tief in ihr fest, daß sie sie einfach nicht zu artikulieren wußte, und Gedanken, die man nicht in Worte zu fassen weiß, tendieren dazu, einem zu entschlüpfen.
»Ich weiß nicht, was es da überhaupt noch zu bedenken gibt«, sagte sie.
Er verstand sie falsch. »Vielleicht nichts. Es könnte durchaus normal sein, daß sich ein Mann zur Schwester eines alten Freundes hingezogen fühlt.«
»Ham weiß nicht, wer Maria ist.«
»Er hat sie geheiratet.«
»Sie hat ihn angelogen.«
»Das paßt aber gar nicht zusammen, Sarah. Warum sollte sie das tun? Denk doch mal nach: Das meiste, was diese Frau uns eben erzählt hat, ist doch bloße Mutmaßung.«
»Glaub mir, ich habe recht.«
Er runzelte die Stirn. »Aber wie können wir uns Gewißheit verschaffen?«
Es fiel ihr schwer, die Stimme zu kontrollieren. »Ich habe es gesehen. Aber ich habe nicht begriffen, was ich gesehen habe.«
Eine innere Stimme sagte ihr: Flieh. Nur mit Mühe brachte sie diese Stimme zum Schweigen.
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