Die Schwarze Keltin
allerhöchstens eine unbestimmte Absicht gewesen war, kaum soviel wie ein Plan, wenn er auch lange Zeit mit Ieuan ab Ifor über Einzelheiten wie Zahlen und Ausrüstung und all das geredet hatte, was Ieuan über die Anlage des dänischen Lagers wußte. Zuviel Zeit, wie es jetzt schien. Er hätte unverzüglich fortgehen sollen, bevor noch jemand auf den Gedanken kam, ihn festzuhalten.
Inzwischen hätte er seinen Knappen bereits gen Süden geschickt, um die versprochene Streitmacht heraufzuführen, und er selber wäre bereits ins Lager zurückgekehrt, noch bevor man ihn überhaupt vermißt hätte. Das Planen hätte warten können. Jetzt war es zu spät, er saß in der Falle. Und doch war nicht alles verloren. Vielleicht war Owain auch ahnungslos.
Niemand außer Gwion selber und Ieuan wußte etwas, und Ieuan hatte bisher noch kein Wort mit den Getreuen gewechselt, die gern bereit sein würden, ihr Glück zu versuchen. Diese Aushebung sollte erst noch kommen. Was Owain von ihm wollte, konnte also mit ihrem halbausgegorenen Vorhaben nichts zu tun haben.
Als er die Bauerndiele mit den tiefhängenden Balken betrat und sich steif und wachsam vor dem Fürsten auf der anderen Seite des grob zusammengezimmerten Tisches verbeugte, war er noch immer fieberhaft damit beschäftigt, verschiedene Möglichkeiten abzuwägen und wieder zu verwerfen.
Auch Hywel war zugegen, gleich an der Seite seines Vaters, und ein wenig abseits standen zwei weitere vertrauenswürdige Hauptleute des Fürsten. Sie waren Zeugen in einer Angelegenheit, die Gwion nach wie vor rätselhaft war, denn die einzige weitere Person im Raum war der mickrige kleine Diakon aus Lichfield in seiner schäbigen schwarzen Kutte. Sein struppiger Kranz aus strohfarbenem Haar wuchs ihm in alle Himmelsrichtungen, seine grauen Augen blickten wie immer offen, unverwandt und gelassen. Sie richteten sich auf Gwion, der den Kopf abwandte, als fürchtete er, sie könnten zu tief in seinen Gedanken lesen, wenn er sich ihnen stellte. Er fand selbst einen freundlichen Blick aus solchen Augen beängstigend. Aber was konnte dieser kleine Kleriker mit irgendeiner Sache zwischen Owain und Cadwaladr und den dänischen Eindringlingen zu schaffen haben? Aber dann wiederum, wenn die Angelegenheit, die hier zur Verhandlung stand, etwas ganz anderes war, was konnte sie dann mit ihm zu tun haben, und wozu hatte man ihn deshalb rufen lassen?
»Es trifft sich gut, daß du uns nicht verlassen hast, Gwion«, sagte Owain, »denn nun gibt es doch etwas, was du für mich und damit gleichzeitig für deinen Herrn tun kannst.«
»Das würde ich sicherlich tun, und mit Freuden«, entgegnete Gwion, wenn auch bisher noch ohne rechten Glauben.
»Diakon Mark hier«, sagte der Fürst, »ist soeben von Otir dem Wikinger gekommen, der meinen Bruder und deinen Herrn gefangenhält. Er hat die Nachricht von Cadwaladr überbracht, daß er sich bereit erklärt hat, die von ihm versprochene Summe zu zahlen und sich damit seiner Schulden zu entledigen und die Freiheit zu erkaufen.«
»Das kann ich nicht glauben!« sagte Gwion, den der Schock bis in die Lippen hatte erbleichen lassen. »Ich werde es nicht glauben, wenn ich es ihn nicht selber frei und öffentlich sagen höre.«
»Dann bist du mit mir eines Mutes«, meinte Owain trocken, »denn auch ich hatte nicht erwartet, daß er so schnell Vernunft annehmen würde. Du hast das gute Recht, meine Meinung in dieser Angelegenheit zu erfahren. Ich wünschte mir, mein Bruder stünde zu seinem Wort und zahlte, was er versprochen hat, und doch würde ich aus keines anderen Mund die Anweisung entgegennehmen, die ihn zum Bettler machen wird.
Otir ist ein gerechter Verhandlungspartner. Aus meines Bruders eigenem Munde kannst du seinen Willen nicht vernehmen, denn er wird nicht frei sein, bevor nicht seine Schuld beglichen ist. Aber du magst Bruder Mark hören, der sein Stellvertreter ist und der bezeugen wird, daß er entschlossen und in vollem Ernst gesprochen hat und dabei körperlich unversehrt und bei Verstand war.«
»Das bezeuge ich«, sagte Mark. »Er ist erst diesen einen Tag lang Gefangener. Er ist in Ketten geschmiedet, aber ansonsten hat niemand Hand an ihn gelegt noch hat man ihm mit Mißhandlungen oder mit dem Tode gedroht. Das sagt er, und ich glaube ihm, denn es ist weder mir noch den anderen Gefangenen der Wikinger je Gewalt angedroht worden. Er sagte mir, was geschehen soll. Und mit eigener Hand übergab er mir sein Siegel als Vollmacht, und ich habe es
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