Die Schwarze Keltin
doch dann gab sie den Gedanken aus Mitgefühl für seine Jugend und seine zerbrechlich wirkende Unschuld auf und sah ihn wieder mit ernster Miene an.
Ihre Augen waren von einem so dunklen Violett, daß sie im Schatten nahezu schwarz wirkten. Sie konnte nicht älter als achtzehn Jahre sein. Vielleicht jünger, denn ihre Größe und ihr Auftreten gaben ihr die Sicherheit einer Frau. Sie hatte Leinentücher auf der Schulter mitgebracht und hätte sich gern einen Spaß daraus gemacht, Mark einen Gefallen zu tun und ihm eigenhändig die Füße abzutrocknen, aber das ließ er nicht zu. Mit einer Autorität, die weniger mit seiner eigenen kleinen Person als mit der Ernsthaftigkeit seines Auftrags zu tun hatte, streckte er die Hand nach ihr aus und gab ihr auf bestimmte Weise zu verstehen, daß sie aufstehen sollte. Sie erhob sich gehorsam. Nur ein Blitzen ihrer dunklen Augen durchbrach kurz ihre Feierlichkeit. Er selbst war außer Gefahr, überlegte Cadfael, aber junge Kleriker mochten mit dieser Frau hier noch mehr Sorgen haben, als ihnen lieb sein konnte. Ältere Geistliche eigentlich auch, wenn auch auf etwas andere Weise.
»Nein«, sagte Mark nun fest. »Das ziemt sich nicht. Unsere Rolle in der Welt ist es, zu dienen, nicht bedient zu werden. Und nach allem, was wir hier gesehen haben, habt Ihr dort draußen schon mehr als genug Gäste, und anspruchsvollere obendrein, als wir es zu sein wünschen.«
Da lachte sie unerwartet, und offensichtlich nicht über Mark, doch über etwas, das seine Worte in ihrem Kopf ausgelöst hatten. Bis dahin hatte sie außer ihrem auf der Schwelle gemurmelten Gruß kein Wort gesprochen. Jetzt brach ein perlender Redeschwall aus ihr hervor, der den Singsang ihrer walisischen Ausdrucksweise wie Poesie wirken ließ.
»Mehr als genug für den Bischof Gilbert, und mehr als er erwartet hat! Stimmt es denn, was Hywel gesagt hat, daß die englischen Bischöfe Euch mit Grußbotschaften und Geschenken schicken? Dann seid Ihr heute abend die beiden willkommensten Besucher in Llanelwy. Unser neuer Bischof hat das Gefühl, er braucht jede Unterstützung, die er kriegen kann.
Eine öffentliche Erinnerung, daß hinter ihm ein Erzbischof steht, kommt ihm jetzt sehr recht. Er hat es hier schließlich mit dem Fürsten und seinem Gefolge zu tun. Er wird Gewinn aus Eurem Besuch ziehen. Ihr findet Euch heute abend sicher am Ehrentisch im Festsaal wieder.«
»Fürsten!« wiederholte Cadfael. »Und Hywel? Ist das denn Hywel gewesen, der uns angesprochen hat, als wir ankamen?
Hywel ab Owain?«
»Habt Ihr ihn denn nicht erkannt?« fragte sie erstaunt.
»Kind, ich habe ihn doch noch nie zuvor gesehen. Aber wir kennen schließlich seinen Ruf.« Das also war der junge Bursche, den sein Vater ausgeschickt hatte, mit einem Heer über den Aeron vorzustoßen, das Schloß Lianbadarn in Schutt und Asche zu legen und Cadwaladr aus Ceredigion zu jagen.
Er hatte das anscheinend sehr zügig und mit Verstand besorgt, ohne dabei die Haltung oder auch nur eine seiner Locken zu verlieren. Dabei sah er kaum alt genug aus, um schon selbst Waffen zu tragen!
»Ich habe mir schon gedacht, über den sollte ich besser Bescheid wissen! Owain bin ich früher schon begegnet. Wir haben vor drei Jahren miteinander zu tun gehabt. Da ging es um einen Austausch von Gefangenen. Jetzt hat er also seinen Sohn geschickt, um nachzusehen, wie Bischof Gilbert seine pastoralen Pflichten erfüllt, nicht wahr?« wunderte sich Cadfael.
Der Fürst und sein Sohn verstanden sich nicht nur auf weltliche, sondern auch auf kirchliche Angelegenheiten, und wie es schien, verfolgten sie beiderlei gleichermaßen gründlich.
»Es kommt noch besser«, sagte die junge Frau und lachte.
»Er ist selbst hier! Habt Ihr oben auf den Wiesen nicht seine Zelte stehen sehen? Für ein paar Tage hat Owain Llanelwy zu seiner Pfalz gemacht, und damit ist hier immerhin der Hof für ganz Gwynedd. Das ist eine Ehre, ohne die Bischof Gilbert gut hätte auskommen können. Der Fürst tut nichts, um den Bischof einzuschränken oder einzuschüchtern, außer einfach hier zu sein. Bei allem, was der Bischof sagt und tut, ist der Fürst dabei. Der Bischof muß ständig auf der Hut sein. Der Fürst ist die Höflichkeit und Rücksichtnahme in Person! Er erwartet vom Bischof bloß, ihn selbst und seinen Sohn zu beherbergen und sorgt für alle anderen selbst. Heute abend werden sie alle im großen Saal zusammen essen. Ihr seht schon, Ihr seid genau zur rechten Zeit gekommen.«
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