Die Schwarze Keltin
keiner. Ach, mein Vater wünscht mir nichts Schlechtes, genausowenig wie der Bischof.
Aber ganz herzlich wünschen die beiden sich, ich soll es mir woanders gutgehen lassen, so weit weg, daß ich ihnen kein Kopfzerbrechen mehr bereite.«
»Das ist also der Grund, aus dem sie vorhaben, Euch mit einem Mann aus Anglesey zu verheiraten«, stellte Cadfael betrübt fest. »So weit weg, wie es in Nordwales nur möglich ist.
Ja, das würde den Bischof gewiß beruhigen. Aber was ist denn mit Euch? Kennt Ihr den Mann, den sie für Euch ausgesucht haben?«
»Nein, das hat der Fürst getan, und er hat es gut gemeint, und so habe ich es auch aufgefaßt. Der Bischof wollte mich ja eigentlich nach Eng land in ein Kloster schicken und eine Nonne aus mir machen.
Owain Gwynedd hat gesagt, falls ich nicht selbst den Wunsch hätte, wäre das eine arge Verschwendung, und er hat mich vor jedermann im Saal gefragt, ob ich das überhaupt wolle, und ich habe sehr laut und klar nein gesagt. Dann hat er mir diese Heirat vorgeschlagen. Owains Mann sucht eine Frau, und mir ist gesagt worden, er sei ein ansehnlicher Bursche, nicht mehr besonders jung, aber kaum über dreißig, und das ist ja noch nicht so alt. Er soll auch gut aussehen und einen guten Ruf haben. Immer noch besser«, meinte sie ohne großen Schwung, »als in einem englischen Kloster hinter Gittern weggeschlossen zu werden.«
»Stimmt«, sagte Cadfael aus vollem Herzen, »es sei denn, Euer eigenes Herz treibt Euch dazu, und ich bezweifle, daß es Euch je so gehen wird. Sicher auch besser, als hier ausgestoßen und in dem Gefühl weiterzuleben, anderen zur Last zu fallen. Ihr seid nicht ganz gegen die Ehe eingestellt?«
»Nein!« sagte sie vehement.
»Und Ihr wißt nichts, das gegen diesen Mann spricht, den sich der Fürst ausgesucht hat?«
»Ich habe ihn nun einmal nicht selber ausgesucht«, sagte sie und verzog störrisch den Mund.
»Wenn Ihr ihn seht, mögt Ihr ihm zustimmen. Es wäre nicht das erste Mal«, sagte Cadfael weise, »daß ein geschickter Kuppler das Gleichgewicht richtig ausgewogen hätte.«
»Wie dem auch sei«, sagte sie und erhob sich mit einem Seufzer, »ich habe keine andere Wahl als zu gehen. Mein Vater kommt mit mir, um darauf zu achten, daß ich mich ordentlich benehme und Kanonikus Morgant, der so hartherzig ist wie der Bischof selbst, geht mit uns, um auf uns beide aufzupassen.
Jedes zusätzliche Aufsehen hätte zur Folge, daß an eine weitere Beförderung meines Vaters nicht mehr zu denken wäre.
Wenn ich das so wollte, könnte ich ihn zerstören«, entfuhr es ihr. Aber sie wußte, daß es nie, bei allem Zorn, bei aller Empörung, so weit kommen würde. Und im Abendlicht sah sie sich in der Tür um und fügte hinzu: »Ich kann gut ohne ihn leben. Früher oder später wäre ich zu einem Ehemann gegangen. Aber wißt Ihr, worüber ich mich am meisten gräme?
Daß er mich so einfach aufgibt und so dankbar ist, mich los zu sein.«
Wie versprochen, kehrte Kanonikus Meirion nach Ablauf einer Stunde zu ihnen zurück. Der Betrieb auf dem Hof hatte sich beruhigt, die Bauarbeiten für den Tag waren eingestellt worden und alle Vorbereitungen für das abendliche Fest bei Hofe waren abgeschlossen. Das kleine Heer der Bediensteten war angetreten, so daß der Hofstaat nun von den Fürsten bis zu den Knechten vollständig im Festsaal versammelt war. Draußen war es noch hell, aber das Licht war so sanft wie die vergoldete Stille vor Sonnenuntergang.
Der Domkapitular hatte sich für den festlichen Anlaß gebürstet und fleckenlos rein, aber schlicht gekleidet, vielleicht um der kargen Nüchternheit seines Amtes willen, vielleicht, um die vielen Jahre, die er mit seiner Frau verheiratet gewesen war, noch sorgfältiger aus der Erinnerung zu tilgen. Vor langer Zeit einmal, als die Heiligen noch unter den Menschen lebten, war von allen keltischen Priestern verlangt worden, im Zölibat zu leben, genau so eindringlich, wie Bischof Gilbert das heute forderte. Der einfache Grund dafür hatte in dem mönchischen Ideal gelegen, auf das die gesamte keltische Kirche einst aufgebaut war. Jede Abweichung hätte dem frommen Streben nach diesem heiligen Vorbild nur geschadet. Aber seit sogar die Erinnerung an diese Zeit nachgelassen hatte und so gut wie verschwunden war, würde die Erneuerung des Zölibats eine ebensolche empörte Wirkung hervorrufen, wie es sie gegeben haben mußte, als es langsam aufgegeben worden war. Seit Jahrhunderten hatten die Priester nun als
Weitere Kostenlose Bücher