Die Schwarze Keltin
Männern zu widmen, die neben ihm saßen. Rechts von ihm hatte ein Geistlicher in mittleren Jahren, wohlbeleibt und stattlich, seinen Platz, bestimmt ein Kanoniker, der dabei eine Miene von so kompromißloser Selbstgefälligkeit zur Schau trug, daß Cadfael sogleich dachte, dies müsse Morgant sein, der auf der Reise, auf der Heledd ihrem Ehemann zugeführt werden sollte, Vater und Tochter beaufsichtigen würde. Seine schmale Nase und seine kalten, scharf blickenden Augen wirkten auf Cadfael, als sei der Mann nur schwer zufriedenzustellen – genau der Richtige für so eine Aufgabe. Doch seine Stimme und seine Art gegenüber dem Gast hatten durchaus etwas Angenehmes. Er wäre in jeder Lage den Ereignissen gewachsen und würde den richtigen Ton anschlagen, aber er machte nicht den Eindruck, als ob er anderen ihre Fehler nachsehen würde.
Cadfael zur Linken saß ein Mann aus dem fürstlichen Gefolge, als echter Waliser stämmig und kompakt gebaut, sehr sorgfältig gekleidet, mit dunklem Haar und dunklen Augen. Sein schwarzer, eindringlicher Blick war in die Ferne gerichtet und sah durch das, was vor ihm lag, Menschen wie Gegenstände, eher hindurch, als sie anzuschauen. Erst als er zur Ehrentafel hinaufblickte, wo Owain und Hywel saßen, wurde sein Blick fester, und Wärme, Wiedererkennen und Anerkennung traten in seine Augen, und sein breiter, voller Mund entspannte sich, lächelte beinahe. Einen ergebenen Gefolgsmann besaßen die Fürsten von Gwynedd zumindest. Cadfael beobachtete den jungen, gutaussehenden Mann von der Seite. Er wirkte zurückhaltend und still. In seiner dunklen, brütenden Art schien er es Cadfael durchaus wert, studiert zu werden. Als er dann höflich mit dem neuen Gast sprach, kam Cadfael seine ruhige, wohlklingende Sprechweise in ihrer abfallenden Klangfolge so vor, als ob der Mann aus einer anderen Gegend als Gwynedd stammen mußte. Aber die bemerkenswerteste Eigenschaft an diesem Menschen enthüllte sich lange nicht, denn er trank und aß wenig und verwendete nur die rechte Hand, die vor Cadfaels Augen entspannt auf dem Tisch ruhte. Erst als er sich seinem Nachbarn geradewegs zuwandte und den linken Ellenbogen auf den Tischrand schob, wurde deutlich, daß sein linker Unterarm wenige Zoll unter dem Ellbogengelenk aufhörte und ein feines Leinentuch wie ein Handschuh über den Stumpf gezogen worden war, befestigt mit einem dünnen Armreif aus Silber.
Unmöglich, da nicht hinzustarren, so unerwartet kam die Enthüllung; aber Cadfael schaute gleich wieder weg und versagte sich jede Bemerkung, obwohl er nicht widerstehen konnte, die Verstümmelung verdeckt zu studieren, als er sich unbeobachtet glaubte. Doch sein Nachbar hatte mit seinem Verlust lange genug gelebt, um mit der Wirkung auf andere Menschen vertraut zu sein.
»Du kannst ruhig fragen, Bruder«, sagte er und lächelte bitter. »Ich schäme mich nicht zuzugeben, wo ich das eingebüßt habe. Das war mal meine gute Hand, obwohl ich Beidhänder war. Ich habe noch eine übrig. Ich kann mir damit immer noch helfen.«
Da die Neugier verstanden und von ihm erwartet wurde, machte Cadfael auch kein Hehl daraus, obschon er auch von selbst einige Vermutungen hätte anstellen können. Denn er war fast sicher, daß dieser junge Mann aus Südwales stammte und hier in Gwynedd von seiner gewohnten Umgebung weit entfernt war.
»Ich bin nicht im Zweifel«, sagte Cadfael vorsichtig, »daß, wo immer du sie gelassen hast, dir die Gelegenheit nur zur Ehre gereicht haben kann. Ich habe zu meiner Zeit auch Waffen getragen und Hiebe ausgeteilt und Verletzungen im Feld eingesteckt. Wo du mich einweihst, kann ich dir folgen, und nicht als Fremder.«
»Ich habe mir das schon gedacht«, sagte der junge Mann und schätzte ihn mit einem Blick seiner glänzenden schwarzen Augen ab, »du siehst nicht wie ein bloßer Klosterbruder aus.
Folge mir dann und sei willkommen. Ich habe meinen Arm auf dem Leichnam meines Herrn liegen gelassen, das Schwert noch in der Hand.«
»Letztes Jahr«, sagte Cadfael langsam und folgte seiner eigenen Ahnung, »in Deheubarth.«
»Du sagst es.«
»Anarawd?«
»Mein Fürst und Stiefbruder«, sagte der verstümmelte Mann.
»Der Schlag, der letzte Schlag, der ihm das Leben nahm, hat mich den Arm gekostet.«
3. Kapitel
»Wie viele«, fragte Cadfael vorsichtig, nach einem Augenblick des Schweigens, »sind da bei ihm gewesen?«
»Drei von uns. Das war eine einfache und kurze Reise, und wir haben an nichts Böses gedacht. Es sind von
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