Die Schwarze Keltin
Walisisch.
Das brachte ihm ein zustimmendes Scharren und Murmeln seiner Landsleute unter den Zuhörern ein.
Der Bischof hatte sich von seinem Stuhl erhoben, kam hinter der Tafel hervor und ging auf das Podium zu. Mark ging ihm entgegen und beugte vor ihm das Knie, um Brief und Schatulle in die großen, muskulösen Hände zu übergeben, die hinunterlangten, um beides in Empfang zu nehmen.
»Wir empfangen die Liebenswürdigkeit unseres Bruders mit Freude«, sagte Bischof Gilbert mit wohlgefälliger, überlegter Dankbarkeit, denn Gwynedds weltliche Machthaber saßen in Hörweite und verpaßten nichts von dem, was geschah. »Und seinen Sendboten empfangen wir mit nicht geringerer Freude.
Erhebe dich, Bruder, und sei ein weiterer geehrter Gast an unserem Tisch. Und dein Gefährte ebenso. Es war allerdings aufmerksam von Bischof de Clinton, dir einen Begleiter mitzugeben, der Walisisch spricht.«
Cadfael blieb still im Hintergrund und verfolgte das Gespräch beim Podium auf Entfernung. Mark sollte ruhig alle Aufmerksamkeit ernten und sich zu einem Ehrenplatz neben Hywel ab Owain führen lassen, der zur Linken des Bischofs saß. Hatte Kanonikus Meirion das bewirkt, hatte der Bischof selbst es so entschieden, um dem Besuch die größtmögliche Wirkung zu verleihen, oder hatte Hywel dabei seine Hand im Spiel gehabt? Es mochte gut sein, daß Hywel mehr darüber erfahren wollte, was andere Kathedralkapitel von der Entscheidung hielten, das Bistum zu Sankt Kentigern nicht nur wieder zu errichten, sondern diese Aufgabe auch noch einem Prälaten zu übertragen, der kein Waliser war. Von Hywel war auch zu erwarten, daß seine Fragen argloser beantwortet würden, als wenn sein einschüchternder Vater sie stellte, und das Gespräch würde entsprechend ergiebiger verlaufen. Eine erste Gelegenheit für Mark, so schien es, wenig zu sagen und viel zu hören.
Cadfael wurde ein Platz zugewiesen, der viel weiter von der Mitte mit Fürsten und Bischof entfernt und näher am Ende der Tafel lag, der allerdings einen ausgezeichneten Blick auf die Gesichter der aufgereihten Ehrengäste bot. Dem Bischof zur Rechten saß Owain Gwynedd, in jeder Hinsicht ein großer Mann, groß, was das Ausmaß seines Verstandes und seiner Fähigkeiten anging, groß aber auch darin, daß er, flachsblond im Gegensatz zu ihren dunklen Farben, seine eigenen Leute im Durchschnitt um Haupteslänge überragte. Seine Großmutter Ragnhild war eine Prinzessin im dänischen Königreich von Dublin gewesen, mehr Skandinavierin als Irin, eine Enkelin von König Sitric Seidenbart. Seine Mutter Angharad war unter den dunkelhaarigen Frauen von Deheubarth für ihr goldenes Haar bekannt gewesen. Links vom Bischof saß in gelöster Haltung Hywel ab Owain, der Bruder Mark mit liebenswürdiger Miene willkommen hieß. Die Ähnlichkeit war klar zu sehen, wenngleich der Sohn dunklere Farben aufwies und nicht die Körpergröße seines Vaters erreichte. Cadfael dachte mit einem leisen Lächeln daran, daß ein Sohn, der seinem Vater so sehr aus dem Gesicht geschnitten war, von dem Kirchenmann neben ihm als unehelich angesehen wurde, war Hywel doch geboren worden, bevor Owain geheiratet hatte. Zudem war seine Mutter eine Irin. Für die Waliser galt ein anerkannter Sohn nicht weniger als ein ehelich geborener, und Hywel war mit Erreichen des Mannesalters ehrenvoll in Ceredigion eingesetzt worden.
Jetzt, nachdem sein Onkel gestürzt war, hatte er die Herrschaft über ganz Ceredigion und war dem Anschein nach recht gut in der Lage, sich dort zu halten. In Owains Gefolge gab es noch drei oder vier Waliser, die abwechselnd zwischen Gilberts Stiftsherren und Kaplane gesetzt worden waren. Weltliche und geistliche Würdenträger saßen damit Schulter an Schulter und waren so gezwungen, sich vorsichtig kennenzulernen. Die gerade geöffnete Schatulle und das filigrane Silberkreuz gaben für ihre Unterhaltung allerdings ein unverfängliches Thema ab.
Gilbert hatte die Schatulle geöffnet und vor sich auf den Tisch gestellt, um sie bewundern zu lassen. Die Schriftrolle von Bischof de Clinton hatte er daneben gelegt. Wenn das Essen dem Ende zuging, war zweifellos eine feierliche Lesung zu erwarten.
Inzwischen ölten Met und Wein die Räder der Diplomatie und, dem sich erhebenden Stimmengewirr nach, auch mit Erfolg. Cadfael wandte sich ab, um seine Aufmerksamkeit auf die Rolle zu richten, die er selbst bei diesem gesellschaftlichen Anlaß zu spielen hatte, und begann pflichtbewußt, sich den
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