Die Schwarze Keltin
anständige Ehemänner gelebt und Familien großgezogen wie ihre Gemeindemitglieder. Sogar in England gab es in entlegeneren Orten auf dem Land eine Menge braver und verheirateter Priester, und gewiß dachte keiner schlecht von ihnen. In Wales kam es durchaus vor, daß in einer Gemeinde der Sohn dem Vater im Priesteramt nachfolgte und, schlimmer noch, daß die Söhne von Bischöfen wie selbstverständlich erwarteten, daß ihre Väter ihnen Mitra und Bischofsstab weiterreichten, als wären die höchsten Ämter der Kirche etwa zu Lehen geworden, die vererbt werden könnten. Nun kam hier dieser Ausländer, der von auswärts zum Bischof eingesetzt worden war, verurteilte diese ganzen Gebräuche als verabscheuungswürdige Sünden und wollte sein Bistum auch noch von allen Klerikern säubern, die nicht im Zölibat lebten.
Dieser fähige und auf seine Weise beeindruckende Mann, der Cadfael und Mark abholte, damit sie seinen Bischof unterstützten, hatte nicht vor, sich als Priester zurücksetzen zu lassen, weil die fortgesetzte Existenz einer Tochter ihn anklagte, obschon er doch seine Ehefrau rechtzeitig hatte begraben können. Nichts gegen das Mädchen – er würde zusehen, daß für sie gesorgt sein würde, aber an einem Ort, wo sie ihm aus den Augen und dem Sinn sein würde.
Gerechterweise mußte man zugeben, daß er auch gar keinen Zweifel daran ließ, was ihm den größten Vorteil zu versprechen schien, und daß er direkt auf sein Ziel losging. Er hatte vor, aus dem Besuch der beiden Mönche und aus ihrer Mission zur Freude und Zufriedenheit seines Bischofs Gewinn zu ziehen.
»Sie haben eben Platz genommen. Es wird Stille herrschen, bis Fürst und Bischof zur Ruhe gekommen sind. Ich habe darauf geachtet, vor der Ehrentafel freien Raum zu lassen, wo alle euch sehen und hören können.«
Man mußte Meirion weiterhin zugute halten, daß er das keineswegs geringschätzig meinte. Er war weder von Bruder Marks kleiner Statur noch von dem schlichten Habit der Benediktiner enttäuscht. Tatsächlich nickte er zufrieden und war über Marks Auftreten erfreut, das trotz seiner Schlichtheit vorzüglich wirken würde.
Mark nahm die bunt bemalte Schriftrolle mit Roger de Clintons Brief und die kleine geschnitzte Schatulle, die das Kreuz enthielt, und sie folgten Meirion über den Hof zur Tür der Bischofshalle. Die Luft im Saal roch nach dem schweren, würzigen Geruch von gebeiztem Holz und dem harzigen Rauch der Fackeln, und als die drei hereinkamen, Kanonikus Meirion vorneweg, ließ das gedämpfte Stimmgemurmel an den Tischen nach. Von der Ehrentafel aus, am anderen Ende des Saals, schaute eine Reihe vom Licht der Fackeln hell beleuchteter Gesichter der kleinen Prozession zu, die auf den freien Raum mit der niedrigen hölzernen Plattform zuschritt. Der Bischof saß in der Mitte. Auf diese Entfernung waren seine Gesichtszüge nicht zu erkennen. Ihm zur Seite saßen die Fürsten, dann, jeweils abwechselnd, weitere Kleriker und walisische Adlige aus Owains Gefolge. Alle Blicke waren auf die kleine, aufrechte Statur von Bruder Mark gerichtet, der einsam vor ihnen stand, nachdem Kanonikus Meirion zur Seite getreten war, um ihm den Platz allein zu überlassen. Cadfael war einige Schritte zurückgeblieben.
»Mein Herr und Bischof, hier ist Diakon Mark vom Hof des Bischofs von Lichfield und Coventry und bittet um Gehör.«
»Der Sendbote meines Amtsbruders von Lichfield ist sehr willkommen«, sagte der Bischof von der Tafel aus in einem förmlichen, erhabenen Ton.
Mark hielt seine Ansprache mit klarer Stimme und richtete den Blick dabei fest auf das lange, schmale Antlitz gegenüber, das ihm entgegenblickte. Die gewölbte Tonsur des Bischofs wurde von drahtigem, stahlgrauem Haar bekränzt. Er hatte eine messerscharfe, lange Nase mit weitgeblähten Nasenlöchern und einen stolzen, schmallippigen Mund, den er zu einem wenig überzeugenden Lächeln verzerrt hatte. Offenbar war er im Lächeln nicht sehr geübt.
»Mein Herr, der Bischof Roger de Clinton, hat mir aufgetragen, Euch in seinem Namen als seinen Bruder in Christo und seinen Nachbarn im Dienst der Kirche verehrungsvoll zu grüßen und wünscht Euch ein langes und fruchtbares Wirken in der Diözese von Sankt Asaph. Und durch meine Hand schickt er Euch voll brüderlicher Liebe diesen Brief und diese Schatulle und bittet Euch, beides in Freundlichkeit anzunehmen.«
Cadfael machte eine kurze Pause, um die Wirkung noch zu steigern und wiederholte dann alles in klingendem
Weitere Kostenlose Bücher