Die Schwarze Keltin
das Geräusch der Stimmen war zu einem leisen, zufriedenen Summen geworden, wie ein Stock glücklicher Bienen, die sich an Sommerwiesen berauschten. In der Mitte der Ehrentafel hatte sich Bischof Gilbert erhoben, das Siegel des edlen Briefes erbrochen und die Schriftrolle aus Pergament entrollt. Roger de Clintons Grußworte waren dazu gedacht, öffentlich deklamiert zu werden, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Sie waren sorgfältig formuliert, um die Laien nicht weniger zu beeindrucken als die keltischen Kleriker, die eine Mahnung zur Vorsicht wohl am nötigsten hatten. Gilberts sonore Stimme machte das meiste daraus.
Cadfael hörte zu und dachte dabei, wie hochzufrieden Erzbischof Theobald mit dem Ergebnis seiner Gesandtschaft sein würde.
»Und jetzt, Lord Owain«, fuhr Gilbert fort und nützte die gehobene Stimmung, auf die er das Fest über gewartet haben mußte, »bitte ich Euch, einen Bittsteller vorzulassen, der Euch um Nachsicht bitten will – nicht für sich selbst, sondern für einen anderen. Durch mein Amt hier bin ich dazu bestimmt und in mancher Hinsicht auch berechtigt, für den Frieden zu sprechen – Frieden zwischen einzelnen Männern und Frieden unter den Völkern. Es ist nicht gut, daß unter Brüdern Zorn herrscht. Hier ist bittere Rache geübt worden, die zu Anfang noch ihre Berechtigung gehabt haben mag. Doch in jedem Streitfall und auch für jede Ungesetzlichkeit sollte die Strafe eine Grenze haben. Ich bitte um Audienz für einen Botschafter, der für Euren Bruder Cadwaladr spricht, damit Ihr mit ihm versöhnt werden mögt, wie es angemessen ist, und ihm seinen verlorenen Platz in Eurer Gunst wiedergebt. Darf ich Bledri ap Rhys aufrufen?«
Unvermittelt verstummte alles und jeder Blick richtete sich auf das Gesicht des Fürsten. Cadfael konnte fühlen, wie sich der junge Mann neben ihm verkrampfte und vor Empörung über diesen bitteren Bruch der Gastfreundschaft zitterte, denn dieser Schachzug war ganz offensichtlich vorbereitet worden, ohne dem Fürsten zuvor ein Wort davon zu sagen. Sogar wenn privat um diese Audienz nachgesucht worden wäre, hätte Cuhelyn das als zutiefst beleidigend empfunden. Sie so öffentlich herbeizuführen, vor dem versammelten Hofstaat im Saal, war ein Bruch der Höflichkeit, wie er nur einem unempfindlichen Normannen möglich war, über ein Volk zum Bischof eingesetzt, von dem er keinen Begriff hatte. Doch wenn Owain die Audienz so unangenehm war wie Cuhelyn, ließ er es sich nicht anmerken. Er ließ das Schweigen genau lange genug anhalten, um leichte Zweifel aufkommen zu lassen und vielleicht Gilberts wackere Selbstsicherheit zu erschüttern, und dann sagte er deutlich:
»Wie Ihr wünscht, Herr Bischof, werde ich Bledri ap Rhys gewiß anhören. Jeder Mann hat das Recht auf Fürbitte und Gehör. Ohne Vorurteil über das Ergebnis!«
Sobald der Hofmeister des Bischofs den Bittsteller in die Halle führte, stand zweifelsfrei fest, daß der nicht gerade eben mit der Bitte um Audienz vom Pferd gesprungen war. Er hatte seinen Auftritt irgendwo in der Nähe des Bischofssitzes bequem abgewartet, jedes Staubkorn von der Kleidung gebürstet und sich auf den heutigen Abend sorgfältig vorbereitet. Sein feiner Aufzug und seine Erscheinung waren sehr beeindruckend. Er war groß und breitschultrig, mit schwarzem Haar und schwarzem Schnurrbart, seine Nase ein hochmütiger Schnabel, eher aufreizend als verbindlich im Auftreten. Er eilte mit langen Schritten in die Mitte des offenen Raumes gegenüber dem Podium und machte eine ausführliche Verbeugung vor Fürst und Bischof. Die Geste schien Cadfael eher der eigenen Verherrlichung dessen zu dienen, der sie leistete, als irgendeinen besonderen Respekt zu bezeugen. Er hatte jedermanns Aufmerksamkeit.
»Mein Fürst, mein Herr Bischof, euer ergebener Diener! Ich trete hier als Bittsteller vor euch.« Er sah kaum danach aus, noch drückte seine Stimme voller Selbstvertrauen eine Bitte aus.
»Das habe ich gehört«, sagte Owain. »Du hast eine Bitte an uns. Du kannst sie offen stellen.«
»Mein Lord, ich war und stehe noch in Gefolgschaftstreue zu Eurem Bruder Cadwaladr, und ich wage, für sein Recht zu sprechen. Er ist seiner Ländereien verlustig gegangen und zum Fremden gemacht worden und enterbt in seiner Heimat. Was immer Ihr ihm anlastet, ich wage zu bitten, daß solch eine Strafe mehr ist, als er verdient hat, und so hart, wie der Bruder sie dem Bruder nicht erteilen sollte. Ich bitte Euch um so viel Großmut und
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