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Die Schwarze Keltin

Die Schwarze Keltin

Titel: Die Schwarze Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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den Conwy zuflossen; hier erwachten die Ströme sprudelnd zu kurzem, hastigem Leben und stürzten kopfüber zum Meer. Die Römerstraße folgte diesem noch so spärlichen Fluß, sie lag deutlich höher als der Wasserspiegel, entlang einer baumbestandenen Felskluft. Der Abstieg wurde weniger steil, der Bach führte etwas fort von dem Pfad, und plötzlich öffnete sich der Blick weit vor ihnen, und dort war tatsächlich das Meer.
    Unmittelbar unter ihnen war ein Dorf zu erkennen, umgeben von einem Muster aus Äckern, an das sich ein schmaler Streifen Weideland anschloß, der in Salzsümpfe und Kieselstrand überging. Jenseits davon dehnte sich das Meer, und in weiter Ferne, aber im späten Nachmittagslicht klar erkennbar, verlief die Küstenlinie von Anglesey in nördlicher Richtung bis zu dem winzigen Eiland Ynys Lanog. Sie bewegten sich auf die Küste zu. Das Niedrigwasser im Kanal schimmerte, beinahe soweit das Auge die Farbe noch ausmachen konnte, aquamarin, unterlegt mit dem blassen Gold von Lavan Sands, das sich den größeren Teil des Weges bis zur Küste von Anglesey erstreckte. Erst in der Ferne verdunkelte sich das Wasser zu dem reinen, tiefen Blaugrün der Hochsee. Beim Anblick dieses Wunders, das er sich den ganzen Tag über erträumt und ausgemalt hatte, hielt Mark sein Pferd für einen Augenblick an und starrte mit heißen Wangen und glänzenden Augen, verzaubert von der Schönheit und Vielfalt der Welt.
    Cadfael drehte sich um, weil er sehen wollte, wer sonst noch in diesem Augenblick, hingerissen vor Vergnügen, angehalten haben mochte. Heledd hatte zwischen den beiden Kanonikern, die sie bewachten, ihr Pferd gezügelt und starrte vor sich hin, doch ihr Blick deutete über das kristallklare Wasser und den Goldsand hinaus, über den kobaltblauen Kanal zu der fernen Küste von Anglesey, und ihr Mund war streng und angespannt und die Brauen ebenmäßig, ohne etwas preiszugeben. Sie sah auf das Land ihres Bräutigams, des Mannes, von dem sie nichts wußte, über den sie nur Gutes gehört hatte; sie sah die Ehe viel zu schnell auf sich zukommen, und in ihrem Gesicht zeichnete sich eine so verblüffte und vorwurfsvolle Traurigkeit ab, eine so hartnäckige Zurückweisung ihres Schicksals, daß Cadfael darüber staunte, daß niemand sonst ihren brennenden Zorn spürte und nach der Quelle dieser intensiven Beunruhigung suchte.
    Dann gab sie, so plötzlich, wie sie angehalten hatte, den Zügeln einen Ruck und lenkte ihr Pferd in einem ungeduldigen Trott den Hügel hinab, ließ ihre Eskorte in den schwarzen Kutten zurück und fädelte sich nach vorn in den Zug von Reitern ein, um die beiden zumindest für einige wenige rebellische Augenblicke abzuschütteln.
    Als er beobachtete, wie zielstrebig sie sich ihren Weg durch das Gefolge des Fürsten bahnte, sprach Cadfael sie von jedem Versuch frei, eng neben dem Pferd von Bledri zu reiten. Er war zufällig dort, wo sie vorbeiritt, und in einem Augenblick würde sie an ihm vorbei sein. Doch in der opportunistischen Behendigkeit, mit der Bledri eine Hand nach ihrem Zügel ausstreckte, sie im Vorbeireiten, Knie an Knie mit ihm, anhielt, und in dem vertraulichen, sicheren Lächeln, das er an sie richtete, als sie sich überzeugen ließ, lag genügend Absicht.
    Einen Augenblick lang schien es Cadfael so, als wolle sie ihn abschütteln, den Mund in dem nachsichtigen Spott verziehen, der alles war, was sie tatsächlich für ihn empfand. Dann, während sie sich aus der muskulösen Hand befreite, die sie festhielt, lächelte sie ihn vorsätzlich, gegen ihre Natur an und willigte ein, ohne Eile neben ihm zu reiten. Sie ritten in freundlichem Einvernehmen, in abgestimmtem Tempo und lockerem Gespräch zusammen. Als er ihnen von hinten zusah, schien es Cadfael nicht mehr zu sein als die Fortsetzung eines etwas boshaften, doch vergnüglichen Spiels, das die beiden trieben, doch als er sich umdrehte, um zu sehen, welche Wirkung der Vorfall auf die beiden Kanoniker aus Sankt Asaph gehabt hatte, war nur zu deutlich, daß er für sie etwas ganz anderes bedeutete. Während Meirions hochgezogenen Augenbrauen und seinem zusammengepreßten Mund der drohende Ausbruch gegen Heledd und der Zorn auf Bledri anzumerken war, verbarg sich hinter der beherrschten, vorgeblich so rechtschaffenen Miene von Morgant nicht weniger Besorgnis.
    Ach ja! Noch zwei Tage, und all das würde vorbei sein. Dann würden sie sicher in Bangor sein, der Bräutigam würde übers Meer kommen und Heledd mit sich nehmen,

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