Die Schwarze Keltin
abzusetzen. In der Tat schaute er einige Male nach rechts und nach links, um die Reichweite der Bogenschützen zu erkunden, und schien beeindruckt zu sein.
All dies war von beträchtlichem Interesse für einen neugierigen Mann, selbst wenn er in diesem Stadium noch keinen rechten Sinn darin sah. Cadfael nahm sich vor, alle ungewöhnlichen Vorfälle auf dieser Reise im Kopf zu behalten.
Die Zeit würde kommen, wenn ihm ihre Bedeutung klar werden würde. Mark ritt unterdessen still und glücklich an seiner Seite.
Die Straße nach Westen lag vor ihnen, und an der Spitze des Zugs leuchtete Owains helles Haar wie ein Banner in der Sonne. Was konnte man an einem schönen Morgen im Mai mehr verlangen?
Sie ritten nicht, wie es Mark erwartet hatte, leicht nordwärts in Richtung auf das Meer, sondern hielten sich nach Westen, über sanfte Hügelwellen und durch mit Bäumen bestandene Täler, einer Spur durch das Grün folgend, die manchmal deutlich als Pfad, manchmal kaum zu erkennen war, aber doch merklich über die Hügel hinweg einer geraden Linie folgte. Das Land lag offen vor ihnen. Die leichten Steigungen machten das Reiten angenehm.
»Die Straße ist uralt«, sagte Cadfael. »Sie beginnt bei Chester und führt geradewegs zu der Bucht, wo der Fluß Conwy in die Irische See mündet und es einmal, wie man sagt, eine ähnliche Festung wie Chester gegeben hat. Wenn du die Sandbänke der Furt kennst, kannst du bei Ebbe durch den Fluß waten, doch bei Flut ist der Fluß schiffbar.«
»Und nach der Furt?« fragte Mark aufmerksam und neugierig.
»Dann steigen wir an. Wenn du von dort nach Westen schaust, glaubst du, da führt kein Weg hinüber, aber es gibt doch einen, hinauf in die Berge und wieder hinunter ans Meer.
Hast du jemals das Meer gesehen?«
»Nein. Wie denn? Bevor ich an den Hof des Bischofs gekommen bin, bin ich keine zehn Meilen aus der Grafschaft herausgekommen, in der ich geboren bin.« Er blickte beim Reiten jetzt angestrengt nach vorn, mit Sehnsucht und Freude, durstig auf alles, das er noch nie gesehen hatte. »Die See muß ein großes Wunder sein«, sagte er mit verhaltenem Atem.
»Ein guter Freund und ein schlimmer Feind«, sagte Cadfael und dachte dabei an früher Erlebtes. »Respektiere sie, und sie wird Gutes für dich bewirken, aber fordere sie niemals heraus.«
Der Fürst hatte kein schnelles, aber doch ein zügiges Tempo vorgelegt, das sich in diesem welligen Land Meile um Meile halten ließ.
In den Tälern der sattgrünen Landschaft waren kleine Dörfer auszumachen. Die Hütten, jeweils eng um die Kirche gedrängt, waren von bebautem Ackerland umgeben, in dem die einzelnen Felder ein gewobenes Muster bildeten. Außerhalb davon standen die Einzelhöfe freier Bauern und jeweils einsam dazwischen ihre Pfarrkirche.
»Diese Leute leben abgeschieden«, sagte Mark etwas verwundert bei diesem Anblick.
»Das sind die Freien des Stammes. Sie besitzen ihr Land selbst, doch nicht, um damit zu tun, was ihnen beliebt. Das Land wird in der Familie nach strengem Erbgesetz übertragen.
Gemeinsam pflügen die Bauern das Land und zahlen ihre Abgaben, doch jeder Bauer besitzt seine Wohnung, sein Vieh und seinen gerechten Anteil Land. Das stellen wir sicher, indem wir regelmäßig die Verteilung überprüfen. Sobald Söhne zu Männern geworden sind, erhalten sie bei der nächsten Überprüfung ihren Anteil.«
»Damit keiner einfach bloß erbt«, zog Mark den vernünftigen Schluß.
»Keiner außer dem jüngsten Sohn, dem letzten, der das Alter erreicht, in dem er seinen eigenen Anteil erhält. Der erbt dann das Land und das Haus des Vaters. Zu dieser Zeit haben die älteren Brüder schon Frauen genommen und eigene Häuser gebaut.« Das erschien Cadfael und augenscheinlich auch Mark ein gerechtes, wenn auch sehr handfestes Verfahren, um jedem Mann ein Auskommen zu verschaffen, einen gerechten Anteil an der Arbeit und am Gewinn des Landes.
»Und du?« fragte Mark. »Hast du hierher gehört?«
»Ich gehörte hierher und konnte es doch nicht«, gab Cadfael zu und schaute etwas überrascht auf seine eigene Herkunft zurück. »Ja, ich bin in genauso einem Keltendorf zur Welt gekommen, und als ich vierzehn wurde, erhielt ich mein kleines Stück eigenes Land. Und würdest du das heute glauben? Ich habe es nicht gewollt! Gute walisische Erde, aber ich habe dafür nichts übrig gehabt. Als ein Wollhändler aus Shrewsbury Gefallen an mir gefunden und mir Arbeit angeboten hat, die mir die Freiheit geben würde,
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