Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwarze Keltin

Die Schwarze Keltin

Titel: Die Schwarze Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
wenigstens ein paar Meilen mehr von der Welt zu sehen, bin ich durch diese geöffnete Tür gegangen, wie ich auf meinem Weg durch viele andere gegangen bin. Ich habe einen jüngeren Bruder gehabt, der zufrieden war, sein Leben auf einem Stück Land zu verbringen. Ich habe mich davongemacht, so weit die Straße nur reichte, und sie hat mich halb um die Erde geführt, bevor ich es verstanden habe. Junge, das Leben verläuft nicht in einer geraden Linie, sondern im Kreis. In der ersten Hälfte unseres Lebens laufen wir der Ruhe, dem Zuhause und der Familie bis ans Ende der Welt davon, und doch führt uns die zweite Lebenshälfte im Kreis zurück in den Zustand, aus dem wir einmal aufgebrochen sind. So bin ich am Ende durch Eid wieder an einen kleinen Ort gebunden, von der seltenen Gelegenheit abgesehen, für unser Kloster einmal eine geschäftliche Reise zu unternehmen, und bearbeite ein kleines Fleckchen Erde, in der Gesellschaft meiner engsten Angehörigen. Und bin zufrieden«, sagte Cadfael und atmete erleichtert auf.
    Noch am Vormittag überquerten sie die Kuppe einer hohen Hügelkette. Vor ihnen öffnete sich das Flußtal des Conwy, und jenseits davon stieg der Boden zunächst sanft an. Doch über diesen grünen Ebenen türmten sich in der Ferne die gewaltigen Berge von Eryi auf, die wie polierter Stahl gegen das blasse Blau des Himmels leuchteten. Der Fluß erschien als ein vielfach gekrümmter Silberfaden, der sich auf seinem Weg nach Norden zum Meer mühsam seinen Weg zwischen Massen von Sand und schlammigem Watt bahnte. Er führte zur Zeit so wenig Wasser mit sich, daß er hier leicht zu überqueren war. Und nach der Furt ging es, wie Cadfael vorhergesagt hatte, bergauf.
    Auf dem ansteigenden Weg war es grün und sonnig. Erst folgten sie einem kleinen Zufluß, dann ging es steil hinauf, bis die Bäume zurückwichen und sie allmählich eine luftige Hochwelt erreichten, ein mit Stechginster und Zwergsträuchern bewachsenes Heideland, offen und bloß wie der Himmel selbst.
    Hier hatte kein Pflug je den Boden aufgebrochen, hier gab es keine sichtbare Bewegung außer plötzlichen Windstößen, die an den Ginstersträuchern und dem Heidekraut zerrten, keine Bewohner außer Vögeln, die vor den vordersten Reitern aufflogen, und den Falken, die nahezu bewegungslos in der Luft zu stehen schienen. Und doch führte durch diese verlassene, aber wunderschöne Wildnis ein erkennbarer Weg, gepflastert mit Steinen und rauhem Gras, der deutlich höher lag als die gelegentlichen sumpfigen Stellen mit ihren Pfützen von torfbraunem Wasser und schnurgerade auf den hohen Wall von schroffem Fels zuführte, der Bruder Mark völlig undurchdringlich vorkam. Da, wo der feste Fels das Erdreich durchbrach und festen Halt bot, brauchte die Straße keine Rampe aus Steinen, blieb aber gleichwohl als ausgetretener Pfad sichtbar, der immerzu seine unbeirrbare, nie abweichende Richtung beibehielt.
    »Das haben Riesen gebaut«, sagte Bruder Mark voll Ehrfurcht.
    »Das haben Menschen gebaut«, sagte Cadfael. Die Straße, wo sie klar zu erkennen war, war breit genug für eine sechs Mann breite Marschreihe, obgleich nur drei Reiter nebeneinander paßten und Owains Bogenschützen, die das Gelände gut kannten, zu beiden Seiten ausschwärmten und die Pflasterstraße der Gesellschaft überließen, die sie bewachten.
    Eine Straße, dachte Cadfael, nicht zum Vergnügen errichtet, nicht für die Falknerei oder sonst für die Jagd, sondern als Mittel, eine große Zahl von Männern so schnell wie möglich von einem Stützpunkt zum nächsten zu bringen. Sie nahm wenig Rücksicht auf Steigungen, sondern verfolgte ihr Ziel gerade, wich nur ab, wo unmöglich eine schnurgerade Linie durchgehalten werden konnte, und dann auch nur, bis das Hindernis umgangen war.
    »Aber durch so ein Massiv«, staunte Mark und starrte nach vorn auf den Sperriegel der Berge, »kommen wir bestimmt nicht durch.«
    »Doch, du wirst sehen, es gibt einen Durchgang, eng, aber noch breit genug, auf dem Pass von Bwlch y Ddeufaen. Wir schlängeln uns durch diese Hügel, bleiben auf dem Plateau drei oder vier Meilen lang und beginnen danach abzusteigen.«
    »Zum Meer?«
    »Zum Meer«, sagte Cadfael.
    Sie kamen an den ersten Hang, das erste geschützte Tal mit Büschen und Bäumen, und im Herzen sprudelte eine Quelle, die zu einem lebhaften Bach wurde, der sie den Hügel abwärts allmählich zur Küste begleitete. Sie hatten schon lange die Flüßlein hinter sich gelassen, die nach Osten auf

Weitere Kostenlose Bücher