Die Schwarze Keltin
zu Hause und hatte keinen Bedarf für die vorsichtigen Manöver, wie Gilbert sie für notwendig hielt, um seine Stellung abzusichern. Es mochte stimmen, daß er für seinen Fürsten zuerst eine Enttäuschung gewesen war, indem er normannischem Druck nachgegeben und sich Canterbury unterworfen hatte, doch er hielt kraftvoll an seiner Waliser Art fest und leistete auf Umwegen weiterhin Widerstand, wenn auch mit feinsinnigeren Mitteln. Meurig empfing sie in Privataudienz. Cadfael hatte den Eindruck, dieser Mann würde seine Waliser Art und seine Zugehörigkeit zur keltischen Kirche lange und hinhaltend zu verteidigen wissen.
Der Bischof war ein ganz anderer Mann als sein Amtsbruder zu Sankt Asaph. Statt dem großen, würdigen Gilbert, der äußerlich selbstbewußt, vornehm und streng erschien, innerlich aber einfach unsicher war, trat ihnen hier ein kleiner, runder Geistlicher von Mitte Vierzig entgegen, der in seiner umtriebigen und redegewandten Art doch schnell auf den Punkt zu kommen wußte, ein Mann mit schnellen Bewegungen, der ein wenig zerzaust und ungepflegt, aber dabei wie ein Jagdhund wirkte, der geschäftig und ausgelassen einer Fährte folgte. Schon die Tatsache ihrer Ankunft bereitete ihm offenbar ein größeres Vergnügen als das Gebetbuch, das Mark ihm überbrachte, wie wohl er zweifellos ein Auge für die wohlgeformte Handschrift hatte und mit seinen kräftigen Fingern liebevoll in den Seiten blätterte.
»Ihr habt schon von der Drohung für unsere Küsten gehört, Brüder, und versteht, daß wir uns um unsere Verteidigung kümmern. Gott verhüte, daß es den Wikingern überhaupt gelingt, zu landen oder etwa bis hierher vorzustoßen, doch falls dies geschieht, müssen wir unsere Stadt verteidigen, die Männer der Kirche genau wie alle anderen. Darum machen wir zur Zeit keine großen Umstände oder Feierlichkeiten, aber ich hoffe, ihr werdet für ein oder zwei Tage meine Gäste sein, bevor ihr mit Briefen und einer Grußbotschaft zu eurem Bischof zurückkehrt.«
Es war an Mark, auf diese Einladung einzugehen. Der Bischof brachte sie zwar recht freundlich vor, aber in seinen klugen Augen lag dabei ein abwesender, beschäftigter Ausdruck. Zumindest ein Teil seiner Gedanken war mit der Küstengegend beschäftigt, an die das Gebiet seiner Stadt grenzte. Die Meerenge, die hier sehr schmal war, wurde bei Ebbe nur von einem schmalen Streifen Watt gesäumt. Von hier aus reichte die Meerenge zwar noch mindestens fünfzehn Meilen weiter westlich bis nach Abermenai, doch in ihren kleineren Booten, mit wenig Tiefgang und je zwanzig Ruderern, konnten die Dänen so eine Entfernung schnell überwinden.
Eine Schande, daß die Waliser nie wirklich zur See gefahren waren! Bischof Meurig würde alle Hände voll damit zu tun haben, seine Schäfchen zu beschützen. Es hatte wenig Sinn, ihn in seinem Schwung jetzt durch andere Sorgen ablenken zu wollen. Es würde ihm nicht leid tun, seine Besucher aus England zurück nach Lichfield zu schicken, um die Hände frei zu haben. Hände, die so aussahen, als könnten sie sehr gut mit Schwert und Bogen umgehen, falls es nötig werden sollte.
»Mein Lord«, sagte Bruder Mark, nach kurzem, nachdenklichem Zögern, »ich glaube, wir sollten morgen abreisen, wenn Euch das nicht zuviel Unbequemlichkeit verursacht. So gern ich länger bleiben würde, habe ich doch versprochen, schnell zurückzukehren. Außerdem hat es in der Gruppe, mit der wir aus Sankt Asaph hergekommen sind, eine junge Frau gegeben, die unter Owain Gwynedds Schutz gestanden hat und uns hierher nach Bangor hätte begleiten sollen. Der Fürst ist jedoch gezwungen worden, nach Carnarvon zu eilen, und da ist sie unklugerweise schutzlos und allein ausgeritten und hat sich unterwegs irgendwo verirrt. Von Aber aus wird nach ihr gesucht. Wo wir jetzt schon bis hierher nach Bangor gekommen sind, möchte ich die Gelegenheit dazu benutzen, auch in dieser Gegend nach ihr Ausschau zu halten.
Wenn Ihr mir erlaubt, meinen Aufenthalt bei Euch abzukürzen, werde ich die ein oder zwei gewonnenen Tage zum Wohle dieser Frau verwenden.«
Während Cadfael Marks Worte ins Walisische übersetzte, stimmte er ihm innerlich zu. Mark hatte keinen der Gründe für Heledds Flucht preisgegeben und schonte auf diese Weise nicht nur ihren Ruf, sondern auch die Hilfsbereitschaft dieses rechtschaffenen Bischofs. Er betonte alles sorgfältig, und da Mark für ihn beim Sprechen keine Pausen gelassen hatte, improvisierte er ein wenig, wo ihn das
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