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Die Schwarze Keltin

Die Schwarze Keltin

Titel: Die Schwarze Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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holen lassen. Von wo aus ist das Mädchen denn hergeritten?«
    »Herunter aus dem Wald, von Süden her. Ich habe nicht gewußt«, sagte der Priester niedergeschlagen, »daß sie dort niemand vorfinden würde. Ich frage mich, was das arme Kind da bloß hat machen können? Es wäre ja immer noch genug Zeit gewesen, um Zuflucht in Bangor zu finden.«
    »Ich bezweifle, ob sie das tun würde«, sagte Cadfael. »Wenn sie erst so spät zu der Einsiedelei gekommen ist, kann es gut sein, daß sie dort die Nacht verbracht hat, um in der Dunkelheit kein Risiko einzugehen.« Er sah Mark an und hatte bereits jetzt keinen Zweifel, was der junge Mann dachte. Auf dieser Reise hatte Mark die Befugnis, zu entscheiden. Um nichts in der Welt hätte Cadfael ihn in Wort oder Tat darin beschränken wollen.
    »Wir werden gehen und bei der Einsiedelei nach ihr suchen«, sagte Mark bestimmt, »und wenn sie dort nicht mehr ist, trennen wir uns und versuchen herauszufinden, in welcher anderen Richtung sie möglicherweise Zuflucht gefunden hat.
    Das Land hier ist flach, und wo es Viehweiden gibt, muß es Einzelhöfe geben. Sie mag es dort versucht haben.«
    »Viele Bauern haben sich schon zurückgezogen«, gab der Priester zu bedenken und schüttelte zweifelnd den Kopf. »In ein paar Wochen hätten sie auch ohne diese Drohung ihre Rinder- und Schafherden in das Hochland gebracht. Einige haben sich vielleicht eher aufgemacht als Gefahr zu laufen, ausgeplündert zu werden.«
    »Wir können nur den Versuch unternehmen«, sagte Mark kraftvoll. »Falls nötig, werden wir uns selbst aufmachen, um in den Hügeln nach ihr zu suchen.« Und damit erwies er dem Priester eine flüchtige Ehrbezeugung, schwenkte sein Pferd herum und ritt pfeilgerade nach Westen. Der Pfarrer von Sankt Deiniol schaute ihm mit hochgezogenen Augenbrauen nach und schüttelte noch einmal, halb belustigt und halb besorgt, den Kopf.
    »Sucht dieser junge Mann das Mädchen, weil er so ein gutes Herz hat? Oder für sich selbst?«
    »Sogar für diesen jungen Mann«, sagte Cadfael vorsichtig, »würde ich das nicht ganz und gar ausschließen. Doch kommt es bei ihm wohl auf dasselbe hinaus. Jedes Geschöpf, dem der Tod oder doch schlimmes Leid droht, ob Mann, Frau, Ackergaul oder der Hase des heiligen Melangell, brächte ihn dazu, Morast oder Treibsand zu durchqueren. Ich weiß, daß ich ihn niemals zurück nach Shrowsbury kriegen würde, solange Heledd sich verirrt hat.«
    »Du selbst machst hier kehrt?« fragte der Priester trocken.
    »Von wegen! Wenn er sich als ihr Reisegefährte an sie gebunden fühlt, bin ich doch genauso an ihn gebunden. Ich bringe ihn wieder heim!«
    »Schön, wenn seine Sorge um sie reiner wäre als Tau«, sagte der Priester mit Überzeugung, »dann wird er sich am besten an sein Gelübde halten, sobald er sie getroffen hat.
    Denn die schwarzhaarige Frau ist ein junger Schatz, wenn ich je einen gesehen habe. Die Nacht, in der ich es gewagt habe, ihr Unterkunft bei mir anzubieten, bin ich froh gewesen, ein alter Mann zu sein. Und dankbar, als sie es nicht angenommen hat.
    Das hier ist aber ein ganz frischer junger Bursche, Tonsur oder nicht.«
    »Um so mehr sollte ich ihm jetzt folgen«, stimmte Cadfael ihm zu. »Und meinen Dank an dich für den guten Rat. Für alle deine guten Ratschläge! Ich werde sie ihm genauso überbringen, wenn ich ihn erst eingeholt habe.«
    »Die heilige Nonna«, belehrte Cadfael sich im Selbstgespräch, als er sich auf den schmalen Weg in das Waldland machte, das sich vom Meer aus mehr als eine Meile landeinwärts erstreckte, »war die Mutter des Schutzheiligen von Wales, Sankt David. Hier in der Gegend sind ihr zahlreiche Quellen geweiht, die besonders für die Augen heilsam sind und sogar gegen Blindheit helfen sollen. Wahrscheinlich hat sich diese Einsiedlerin nach dem Vorbild der Heiligen benannt.«
    Bruder Mark ritt auf dem eingeschlagenen, engen Weg und sagte kein einziges Wort. Zu beiden Seiten glänzten die regennassen Bäume im Licht des frühen Nachmittags. Der Weg war so eng, daß sie hintereinander reiten mußten. Der Mischwald stand im ersten, frischen Laub und hallte wider von den Rufen der Vögel. Jedes Jahr, dachte Cadfael, der sich trotz aller Sorgen mit Freude umschaute, brach das neue Leben so über einen herein, als sei es noch nie zuvor geschehen, als habe Gott eben erst herausgefunden, wie er das Unmögliche Wirklichkeit werden lassen konnte. Vor ihm hatte Mark in dem ausgetretenen Gras des Reiterwegs angehalten und

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