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Die Schwarze Keltin

Die Schwarze Keltin

Titel: Die Schwarze Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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von Heledds Zelt lagerten, doch nicht zu nah, um ihre Vorliebe für die Unabhängigkeit nicht zu stören.
    Cadfael hatte mittlerweile kaum noch Zweifel daran, daß sie innerhalb des Wikingerlagers sicher war. Otir hatte seine Befehle gegeben, und keiner unter seinen Männern nahm das auf die leichte Schulter, selbst wenn sie nicht eine gewinnträchtigere Beute im Auge gehabt hätten als diese junge Waliserin, wie reizvoll sie auch sein mochte. Abenteurer, hatte Cadfael in seinem eigenen früheren Abenteurerleben gelernt, waren ausgesprochen praktische Leute und kannten den Wert von Gold und Besitz. Frauen standen viel niedriger in der Skala wünschenswerter Beute.
    Er schaute in die Richtung, wo ihr niedriges Zelt lag, und dort war alles dunkel und still. Sie schlief wohl. Wieso er selbst nicht schlafen konnte, war nicht zu begreifen. Über den Himmel zog sich eine leichte Wolkendecke, durch die nur hier und da schwach ein Stern schien. Es war windstill, und heute nacht würde der Mond nicht scheinen. Die Wolken mochten bis zum Morgen gut und gerne zunehmen und sogar Regen bringen.
    Um diese Mitternachtsstunde war die Stille tief, sogar bedrückend, die Dünen lagen tief im Schatten, und vom Meer, wo die Flut jetzt ihren Höhepunkt erreicht hatte, kam ein sanft strahlendes Licht. Cadfael wandte sich nach Osten, wo die Wachen nicht so dicht standen und es weniger wahrscheinlich war, daß er sie auf sich aufmerksam machte, wenn er mitten in der Nacht umherlief. Es brannten keine Fackeln und keine Feuer in der Dunkelheit außer denen in der Mitte des Lagers, die so angelegt waren, daß sie langsam bis zum Morgen brennen würden. Otirs Wachen verließen sich darauf, daß sie im Dunkeln gut sehen konnten. Genau wie Bruder Cadfael.
    Schatten wuchsen langsam aus der Formlosigkeit, sogar die Kurven und Abhänge der Dünen waren schwach wahrnehmbar.
    Es war merkwürdig, wie ein Mann so einsam sein konnte inmitten Hunderter von Menschen, so, als ließe sich Einsamkeit durch Willenskraft herbeiführen. Merkwürdig war auch, daß jemand wie er, der allem Anschein nach ein Gefangener war, sich freier als die Wikinger fühlen konnte, die durch ihre schiere Anzahl festgehalten wurden und an ihre Disziplin gekettet waren.
    Er hatte die Kuppe der Hügelreihe über dem Ankerplatz erreicht, wo die leichteren und schnelleren dänischen Schiffe dicht zwischen dem offenen Meer und der Meerenge lagen. Er konnte zitternde Lichter erkennen, die, während er hinschaute, mal deutlicher erkennbar und dann wieder verschwunden waren. Wo die Wellen ans Ufer schlugen, lagen die schlanken Langschiffe, nur eben wahrnehmbar als dunkle Umrisse, sanft geschaukelt von der Flut. Sie schienen zu zittern, rührten sich aber nicht von der Stelle. Ausgenommen eines, das schmälste und kleinste. Er sah, wie es sich im Kriechtempo von seinem Ankerplatz entfernte, so langsam, daß er einen Augenblick dachte, er bilde sich die Vorwärtsbewegung nur ein. Dann fielen ihm das Eintauchen der Ruder auf und winzige Reflexe auf dem Wasser, die fast verschwunden waren, bevor er sie genau ausmac hen konnte. Kein Geräusch drang aus der Entfernung zu ihm, obgleich es in der Nacht ruhig und still war. Das letzte und womöglich schnellste der Drachenboote schlängelte sich heraus in die Mündung des Menai, um Fahrt aufzunehmen in Richtung Osten, auf die Meerenge zu.
    Zogen sie wieder auf Beute aus? Wenn das ihre Absicht war, dann taten sie gut daran, nachts in die Meerenge zu fahren, irgendwo ein gutes Stück oberhalb Carnarvons zu warten, um so beim Morgengrauen den Vorstoß an Land zu beginnen. Die Stadt wurde sicher durch Truppen verteidigt, doch das Umland dahinter war weiterhin ungeschützt gegen Überfälle, sogar wenn die meisten der Bewohner ihr Vieh weggetrieben und all ihr tragbares Hab und Gut in die Berge gebracht hatten. Und was gab es schon unter dem Hab und Gut eines guten Walisers, das nicht tragbar war? Mit Leichtigkeit konnten sie ihre Höfe verlassen, falls das notwendig wurde, und sie wieder einrichten, sobald die Gefahr vorüber war. Das hatten sie seit Jahrhunderten so gemacht und waren geübt darin. Doch die Felder und Siedlungen in der Nähe waren bereits einmal geplündert worden und würden auf Dauer sicher nicht genügend Lebensmittel für ein kleines Heer abwerfen. Cadfael hätte eher erwartet, daß die Dänen es vorziehen würden, ungeachtet der Truppen, die Owain aufgeboten hatte, die Küste im Süden entlang des offenen Meeres durchzukämmen.

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