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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Diese Schatulle war nicht nur das Schönste, was ich je besessen hatte – aus schwarz lackiertem Holz, mit rotem Tuch ausgelegt und mit Fächern für Pastellkreiden und Stifte und einem Schloss, das laut einrastete. Das war es aber nicht nur, sondern auch die Art, wie Benji an die Schatulle gekommen war. Am Anfang hatte er ja lange Zeit überhaupt nicht mit mir gesprochen. Aber nachdem ich ihn beim Mörderspiel beschützt hatte, nachdem ich zu den Kindern in seiner Klasse gesagt hatte, ich wäre so was wie sein großer Bruder, hatte er, ohne mir was davon zu sagen, einen seiner beiden echten großen Brüder in Amerika gebeten, ihm Kataloge von Firmen für Zeichenbedarf zu schicken, die solche Dinge wie Farben und Stifte herstellen, doch nichts gefiel ihm. Bis sein Bruder ihm schließlich einen Katalog aus Chicago schickte, von einem Spezialgeschäft für Künstler. Da sah er ein Foto von der Schatulle. Die hat er dann bestellt, weil er sie für das Tollste und Einmaligste hielt. Er wollte mir nicht sagen, wie viel sie gekostet hatte, aber ich bin sicher, dass er viel dafür ausgegeben hat, vielleicht sogar fast alles, was er gespart hatte.
    Als ich die Schatulle das erste Mal aufmachte und das weiche rote Tuch anhob, in das die Farben und Stifte gebettet waren, sah ich über den Pastellkreiden einen winzig zusammengefalteten Zettel. Ich nahm ihn heraus und Benji drehte den Kopf zur Seite, als wäre es ihm peinlich. Auf dem Zettel stand nur: Für Schabi von Benji. Aber dazwischen war ein weißer Tippex-Fleck, als hätte er noch etwas anderes hingeschrieben und es dann bedauert. Ich schaute ihn an, aber er drehte den Kopf nun zur anderen Seite. Deshalb berührte ich bloß seine Hand und sagte: »Ich habe noch nie etwas so Wunderbares geschenkt bekommen.«
    Plötzlich hörte ich mich zu Joli sagen, dass ich Schwierigkeiten mit Benji hatte und mir große Sorgen machte. »Wirklich sehr große Sorgen«, sagte ich, genau wie Jo’el, unser Trainer, es manchmal sagt, wenn wir schlecht spielen. Und sofort schämte ich mich. Es stimmte ja, dass ich mir Sorgen machte, aber vor allem hatte ich nach einem Thema gesucht, um mit ihr zu sprechen. Ich hatte einfach Angst, ich könnte anfangen zu heulen. Und ich wollte auch nicht, dass sie merkte, was für Herzklopfen ich hatte, nur weil sie und ich allein in der Klasse waren. Ich hatte das Gefühl, sie könne mir alles ansehen, als wäre ich durchsichtig. Und wegen der Schatulle und allem, was am Morgen passiert war, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten.
    Joli stellte die Beine auf einen Nachbarstuhl und legte die Arme um die Knie. Ihr Strumpf hatte dort ein Loch, durch das ihre weiße Haut zu sehen war. Dann schob sich Joli ein bisschen nach hinten, stützte den Ellenbogen auf den Tisch und legte ihr Kinn in die Hand, um mir besser zuzuhören. Wenn man so erwartungsvoll angeschaut wird, muss man sprechen, da kann man einfach nicht anders. Also sprach ich. Ich erzählte ihr von der Schatulle und wie sie angekommen war, in einem Pappkarton, geschützt von einer speziellen Folie mit Luftblasen, die aufplatzen, wenn man draufdrückt. Und unter der Folie war die Schatulle noch einmal in ein schwarzes Samttuch gewickelt. Ich erzählte Joli, wie sich zwischen mir und Ben-ji alles geändert hatte, nach der Schatulle, und wie er angefangen hatte, mit mir über alles zu sprechen. Ich erzählte ihr auch von diesem Morgen, von Benji, der vor mir davongelaufen war, wie ich zu ihm nach Hause gefahren war, wie ich an der Bushaltestelle gewartet hatte und jemand mich mit einem Spiegel blendete. Als ich das Gesicht im Fenster beschrieb, beugte sie sich vor, ihre schwarzen Augen wurden noch schwärzer und das Weiß drum herum noch weißer. Und als ich sagte, ich sei gar nicht sicher, ob da wirklich ein Gesicht war, und wenn, ob es Benjis Gesicht gewesen war, blinzelte sie und ich konnte die bläuliche Haut auf ihren Augenlidern sehen, so nah war sie.
    Joli fing an, laut nachzudenken. So nennt sie das, »zusammen laut nachdenken«. Die Erziehungsberaterin nennt es »Brainstorming«, als müsste man sich das Gehirn aufwirbeln lassen, um etwas zu denken, so wie man das ganze Zimmer aufräumt, um einen Strumpf zu finden. Joli wartete nicht, dass ich anfing laut nachzudenken, sie tat es selbst. Erst sagte sie, vielleicht hätte jemand aus Benjis Klasse ihm was getan. Aber warum war er dann nicht zu mir gekommen und hatte mich um Hilfe gebeten, sondern war vor mir weggelaufen? Mindestens dreimal

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