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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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näher kamen, beugte sie sich vor und sagte leise zu Joli: »Was ist, Süße? Wo ist denn dein schöner Freund? Hat zu tun, was? Zieht sich schön an und verfolgt Kinder, was?« Dann stieß sie ein heiseres, ersticktes Gelächter aus und ihre Beule bewegte sich, als wäre sie eine Art kleines Tier, das neben dem Auge lebte. Joli wurde rot und ging weiter ohne zu antworten. Ich wollte nicht an Esther denken, auch nicht an das, was sie gesagt hatte.
    Den ganzen Morgen hatten sie die Straße aufgegraben, um sie zu reparieren, und wegen der Erdhaufen musste ich ganz dicht neben Joli gehen. Nicht so dicht wie am Kiosk, als wir Cola aus einer Dose getrunken hatten, aber trotzdem. Bei jedem Schritt, den wir machten, stiegen Staubwolken auf und hüllten uns ein, und als wir die Telefonzelle erreicht hatten, hatte ich den Geschmack von Sand und Staub im Mund. Ich wählte die Nummer vom Büro und hörte gleich die Stimme meiner Mutter: »Rechtsanwaltskanzlei Friedberg.« Ich sagte ihr, dass ich bei Joli zu Mittag essen würde.
    Sie schwieg einen Moment, dann fragte sie, ob Jolis Großvater wisse, dass ich komme.
    »Ich glaube nicht, aber das ist in Ordnung«, antwortete ich und spürte, wie ich bereits nervös wurde. Nicht nur, weil sie solche Fragen stellte, sondern weil ich aus den Augenwinkeln Nimrod näher kommen sah. Der hatte mir gerade noch gefehlt. Auch Joli hatte ihn gesehen und ging ihm entgegen. Er machte diese bewusste Kopfbewegung und seine Haare bewegten sich wie ein Wasserfall aus Seide, der in der Sonne glänzt. Er trug seine Pfadfinderuniform mit Krawatte und kurzen Khakihosen, schwarze Nikes und weiße Socken. Er sah aus wie ein Su-perbasketballspieler. Wirklich wie aus einer der Serien, die meine Großmutter jeden Tag anschaut. Und obwohl ich ihn gar nicht so schön finde, war mir klar, dass Joli ihn für schön hielt. Auch ohne ihr Gesicht zu sehen, wusste ich, dass sie rot wurde.
    Ich schaute hinunter auf meine Beine, die in weiten Turnhosen steckten, die bis zu den Knien reichten – kurze, stämmige Beine. Einfach Beine, nicht muskulös und vollkommen glatt. Ich gelte überhaupt nicht als klein und im Vergleich zu anderen Jungen aus der Klasse bin ich sogar ziemlich groß, aber verglichen mit Nimrod, der inzwischen vor Joli stand, sah ich untersetzt und babyhaft aus.
    Einerseits wollte ich nicht hören, was er zu Joli sagte und was sie ihm antwortete, andrerseits wollte ich doch unbedingt alles wissen. Ich drehte mich wieder zum Telefon und sagte zu meiner Mutter, ich dürfe ja auch immer jemanden zum Essen mitbringen, genauso sei es bei Joli.
    »Ein Großvater ist keine Mutter«, hörte ich sie sagen. »Es gibt Leute, die knapp kochen, und dann ist es schwer, wenn plötzlich jemand dazukommt.«
    »Dann esse ich eben nichts«, sagte ich. »Wenn nicht genug da ist, esse ich zu Hause. Okay?«
    Ich hörte sie lachen und schließlich kam ihr »Okay«.
    Ich drehte mich zur Straße und sah, dass Nimrod sehr dicht bei Joli stand und sich ein wenig zu ihr beugte. Ich hörte nicht, was sie ihm sagte, aber er winkte mir zu, lächelte ein halbes Lächeln, aber doch so, dass man sah, wie weiß seine Zähne waren, und rief im Weggehen: »Also viel Spaß mit Englisch, ihr beiden!« Ich verstand, dass Joli gelogen und gesagt hatte, wir würden Englisch lernen.
    Ich hätte sie so gern gefragt, ob Nimrod eifersüchtig auf mich war und ob auch er sie manchmal zu Hause besuchte, beschloss aber, dass mich das nichts anging. Alle wussten, dass die beiden ein Paar waren, aber mir war nicht ganz klar, was das bei ihnen hieß, ein Paar sein. Gingen sie zusammen ins Kino? Besuchte er sie jeden Tag zu Hause oder nur manchmal? Ich wusste nicht, über was sie miteinander sprachen und ob sie sich manchmal an den Händen hielten oder andere Sachen machten, an die ich nicht denken wollte wegen Joli. Aber je mehr man versucht, nicht an solche Dinge zu denken, umso mehr denkt man dran.
    Ich wunderte mich, dass sie bereit war, Nimrod die Unwahrheit zu sagen, aber ich freute mich auch. Vor allem, weil sie es meinetwegen getan hatte, obwohl es, genau genommen, wegen Benji war. Hätte sie nicht gelogen, wenn die Sache nichts mit Benji zu tun gehabt hätte? Aber ohne Benji würde ich jetzt auch nicht mit ihr zu ihrem Großvater gehen, zum Mittagessen, nur deshalb hatte sie mich eingeladen. Plötzlich fühlte ich mich schlecht. Nimrod kann sie einfach so besuchen, dachte ich, ohne Grund, wann immer er will, und ich brauch ein

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