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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Problem.
    Während wir weitergingen, fragte Joli plötzlich: »Sag mal, Schabi, findest du die äußere Erscheinung wichtig?«
    Ich überlegte. »Meinst du jetzt allgemein oder mich persönlich?«
    »Beides«, sagte Joli.
    »Natürlich ist sie wichtig, das kannst du doch überall sehen.« Ich fühlte mich wichtig und überhaupt nicht blöd.
    »Und für dich selbst?«
    »Kommt drauf an.« Ich wusste es nicht genau.
    »Ich glaube …« Plötzlich freute ich mich, weil ich wusste, was ich sagen würde. »Ich glaube, dass Schönheit einen kleinen Makel haben muss.«
    Sie schwieg. Und dann sagte ich auch noch, was meine Mutter immer sagt, nämlich dass die innere Schönheit, die Schönheit der Seele, nach außen durchleuchtet und dass nur der hässlich ist, der eine hässliche Seele hat.
    »Ja«, sagte Joli und verzog den Mund. »Das behauptet mein Großvater auch, aber es stimmt nicht ganz.«
    Wir gingen schweigend weiter, da fragte sie plötzlich: »Wenn man dir vorschlagen würde, dich fotografieren zu lassen, was würdest du tun?«
    »Was heißt das, mich fotografieren zu lassen?«
    »Sagen wir mal, für eine Werbung im Fernsehen.«
    Ich war verwirrt. »Was für eine Werbung? Wofür? Wenn es Sport wäre, sofort …«
    »Und als Model?«
    »Als Model?« Ich lachte laut auf. »Du meinst, auf dem Laufsteg rumlaufen und so?«
    »So ungefähr«, sagte Joli und wurde rot. »Sagen wir mal, als Model für Jungenkleidung. Man würde dich in Zeitschriften und im Fernsehen zeigen.«
    Ich grinste. »Mich doch nicht. Dafür muss man …« Ich wollte sagen, dass man dafür toll aussehen muss oder so, aber ich brachte es nicht über die Lippen.
    »Egal«, sagte Joli. »Aber würdest du es machen wollen?«
    »Klar.« In dem Moment, als ich es gesagt hatte, war ich mir schon nicht mehr sicher. Außerdem genierte ich mich plötzlich, denn sie warf mir einen Blick zu und ich sah, dass sie etwas anderes von mir erwartet hatte. Nach kurzem Schweigen sagte ich: »Es hängt natürlich davon ab, was für eine Werbung das ist. Für Basketballshirts oder Sportschuhe ja.«
    »Aber ich meine, würdest du es von dir aus können?« Sie betonte das Wort »können«.
    »Nein, ich würde mich ziemlich genieren. Außerdem bietet mir das sowieso niemand an. Ich bin nicht so … so ein Traumboy wie …« Ich wollte sagen »wie Nimrod«, aber im letzten Moment überlegte ich mir, dass es sich nicht lohnte, so etwas zu sagen. Stattdessen fragte ich: »Warum, hat man dir so was angeboten?«
    »Mir? Wieso denn mir? Ich bin überhaupt nicht … ich bin doch nicht so schön, ich bin nicht ihr Typ und ich bin auch gar nicht dünn genug.«
    Ich hätte ihr gern widersprochen und gesagt, sie sei sehr schön, aber ich tat es nicht. Ich fragte: »Kennst du jemanden, dem man so was angeboten hat?«
    Sie nickte.
    »Wem«, fragte ich, aber ich konnte mir die Antwort schon denken.
    Sie schwieg.
    Ich ließ nicht locker, ich wollte es wissen. »Nimrod«, fragte ich. »Ist es Nimrod?«
    Sie stieß einen seltsamen Ton aus. »Ich habe ihm versprochen, es niemandem zu sagen.«
    »Ich erzähl es niemandem weiter, Ehrenwort.«
    »Er möchte gern«, sagte sie. »Er war bei so einer Audi-tion, und sie haben gesagt, er würde gut passen.«
    »Ich dachte, er hat keine Zeit«, sagte ich. »Ich habe geglaubt, er braucht zu viel Zeit zum Lernen und für die Friedensbewegung und seine vielen Jugendtreffen und so.«
    »Er meint, das würde gehen«, sagte Joli. »Auch wenn sie ihn gewarnt haben, dass es viele Stunden kostet. Außerdem ist er sowieso nicht sicher mit den Pfadfindern, ob er nächstes Jahr eine Gruppe übernimmt oder nicht. Aber fürs Modeln braucht man viel Geld, für die Fotos, meine ich. Weil man am Anfang alles selbst finanzieren muss, den ganzen Auftritt bei der Audition, Kleidung und so was. Und wenn er sich bewirbt, braucht er eine Mappe mit Fotos. Von seinen Eltern würde er nie im Leben Geld für so etwas bekommen. Nie.«
    »Aber seine Eltern haben doch genug.«
    »Klar«, sagte Joli. »Sie haben alles, außer Zeit.«
    Ich verstand nicht, warum sie nicht begeistert war, dass Nimrod vielleicht berühmt wurde. Hatte sie Angst, er würde sich dann nicht mehr für sie interessieren? Wenn es so käme, dann wäre er nichts wert. Nicht mal den Dreck unter ihren Fingernägeln, wie meine Mutter von Esthers Ehemann behauptet, der nichts für den Kiosk tut und nur abends das Geld abholt. Dann schaut Esther ihn an, wie sie alle anschaut, von weit her. Sogar die Reparaturen

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